Rz. 271

Eine Einigungsgebühr kann nur entstehen, wenn durch die Mitwirkung des Rechtsanwalts an einem wirksamen Vertrag Streit oder zumindest Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beendet wird. Dies bedeutet, dass für die Mitwirkung an rechtsbegründenden Verträgen die Einigungsgebühr nicht entstehen kann, es sei denn, zumindest eine Partei hat sich zuvor einer Rechtsposition berühmt.[199] "Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Vertrags, der danach abgeschlossen wird, kann – sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird – eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrags im Sinne der Nr. 1000 VV RVG bedeuten.", so der BGH am 20.11.2008 in einer wichtigen Grundsatzentscheidung.[200]

 

Rz. 272

Nach Ansicht des LG Koblenz und OLG München kann eine Einigungsgebühr aus dem Wert der Gütertrennung, die im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen wird, nicht entstehen, wenn es keinen Streit hierüber gab.

So hält das LG Koblenz[201] fest:

Zitat

"1. Besteht ein Rechtsverhältnis und steht keiner Partei ein Recht zur Änderung dieses Rechtsverhältnisses zu, einigen sich die Parteien aber auf eine Beendigung oder Modifizierung dieses Rechtsverhältnisses, so wird keine Einigungsgebühr ausgelöst. Daher entsteht keine Einigungsgebühr, wenn die Eheleute die Zugewinngemeinschaft einvernehmlich aufheben, um den Zugewinn zu regeln."

2. Für die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft fällt in diesem Fall allerdings eine Geschäftsgebühr an, die sich aus dem Wert des beiderseitigen Vermögens berechnet.“

 

Rz. 273

Der Fall war in vieler Hinsicht interessant:

Ein Mandant erteilte der RAin einen Auftrag in familienrechtl. Angelegenheiten außergerichtlich tätig zu werden. Die Besonderheit hier: Der Auftrag stand nicht im Zusammenhang mit einer anstehenden Scheidung. Ziel war eine einvernehmliche Gesamtregelung. Ein Scheidungsantrag war ausdrücklich nicht gewünscht. Gütertrennung und Trennungsvereinbarung sollten beim Notar beurkundet werden (u.a. Nutzung der Ehewohnung, Verwaltung der gemeinsamen Immobilien, Zugewinnausgleich, Verbleib der gemeinsamen Haushaltsgegenstände und Aufhebung der Verfügungen von Todes wegen). Auf die Kostenrechnungen erfolgte lediglich eine Teilzahlung, der Rest wurde via Honorarklage geltend gemacht, Zunächst wurden vom Beklagten folgende Argumente im Rahmen der Klageerwiderung geltend gemacht:

500 EUR als Wert für die Gütertrennung seien ausreichend, da Ziel gewesen sei, den Zugewinnausgleich zu regeln und die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft allein dazu habe dienen sollen, den Zugewinnanspruch entstehen zu lassen und anschließend der Höhe nach zu regeln,
der Ansatz einer 2,0 Geschäftsgebühr sei zu hoch,
eine Einigungsgebühr sei aus Wert der Gütertrennung nicht entstanden, da zuvor kein Streit hierüber erfolgt sei,
im Übrigen seien die Aufklärungspflichten wg. des Gebührenanfalls verletzt worden,
zudem sei die weitere Hinweispflicht verletzt, da die Gütertrennung hätte not. beurkundet werden müssen.
 

Rz. 274

Zur Geschäftsgebühr u.a. aus Wert Gütertrennung 815.000 EUR anstelle begehrter 500 EUR führt das LG Koblenz wie folgt aus:[202]

Zitat

"Soweit der Beklagte der Auffassung ist, für die Regelung des Güterstandes sei kein eigenständiger Wert oder maximal einen Wert von 500,– EUR in Ansatz bringen, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerin wurde vom Beklagten auch diesbezüglich beauftragt. Es wurde eine Regelung hinsichtlich des Güterstandes im von der Klägerin erstellten Vertrag getroffen, nämlich die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Daran ändert auch nichts, dass die Vereinbarung der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft als "Durchgangsstadium" notwendig war, um den Zugewinnausgleich regeln zu können und eine Regelung ohne Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nicht möglich war. Zudem war dem Beklagten und seiner Ehefrau nicht nur an der Regelung des Zugewinnausgleichs, sondern auch an der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft an sich gelegen.""

Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie inhaltlich auch richtig ist, siehe dazu auch die Ausführungen in § 4 Rdn 149 ff.

 

Rz. 275

Zur 1,3 anstelle einer 2,0 Geschäftsgebühr führt das LG Koblenz wie folgt aus:[203]

Zitat

"Es war jedoch lediglich von einer 1,3 Gebühr auszugehen. Gemäß § 14 RVG richtet sich die Gebühr nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Für die Angemessenheit einer Gebühr ist der Rechtsanwalt darlegungs- und beweispflichtig (BeckOK RVG/v. Seltmann, 54. Ed. 1.9.2021, RVG, § 14 Rn 24). Ausreichende Darlegungen der Klägerin hierzu, die die Annahme einer 2,0 Gebühr rechtfertigen könnten, sind nicht erfolgt. Der Fall weist weder einen überdurchschnittlichen Umfang noch eine überdurchschnittliche Schwierigkeit oder Bedeutung auf. Allein der dargelegte Schriftwechsel lässt nicht erkennen, dass überdurchschnittlicher Aufwand betrieben werden musste. Gleiches gilt für den Vortrag, es habe mehrere Besprech...

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