Rz. 471

§ 144 FamFG regelt die Möglichkeit des umfassenden Rechtsmittelverzichts:

Zitat

"Haben die Ehegatten auf Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch verzichtet, können sie auch auf dessen Anfechtung im Wege der Anschließung an ein Rechtsmittel in einer Folgesache verzichten, bevor ein solches Rechtsmittel eingelegt ist."

§ 144 FamFG setzt voraus, dass die Ehegatten beide auf Rechtsmittel verzichtet haben. Grundsätzlich gilt, dass ein Rechtsmittelverzicht, der dem Anwaltszwang unterliegt,[329] wenn er erst einmal ausgesprochen wurde, nicht mehr widerrufen werden kann und auch nicht anfechtbar ist.[330]

 

Rz. 472

Aufgrund des Anwaltszwangs hat sich in Scheidungssachen die gängige Praxis herausgebildet, für den Rechtsmittelverzicht auf einen sogenannten "Fluranwalt" zurückzugreifen, d.h. der oft anwaltlich nicht vertretene Antragsgegner bedient sich für den Rechtsmittelverzicht, den er selbst wirksam nicht abgeben kann, eines eigenen Anwalts mit diesem eingeschränkten Auftrag, für ihn den Rechtsmittelverzicht zu erklären.

 

Rz. 473

Wird ohne Einschränkungen auf Rechtsmittel verzichtet, erstreckt sich der Rechtsmittelverzicht auch auf die Folgesachen.[331] Der Rechtsmittelverzicht wird regelmäßig protokolliert, d.h. in das Sitzungsprotokoll aufgenommen (vgl. dazu auch § 162 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 474

 

Wichtig!

Sofern nur gegen den Verbundbeschluss auf Rechtsmittel nicht aber auch auf Anschlussrechtsmittel verzichtet wird, tritt die Rechtskraft nicht ein. Denn es ist möglich, dass Dritte (z.B. das Jugendamt gegen eine Umgangsrechtsentscheidung) Rechtsmittel einlegen und sich dann ein Beteiligter (Ehegatte) dem Rechtsmittel anschließt.

 

Rz. 475

Sofern auf Anschlussrechtsmittel nicht verzichtet wurde und ein Rechtsmittel durch Dritte nicht eingelegt wird, tritt die Rechtskraft der Scheidung erst einen Monat nach der Zustellung an den letzten Beteiligten, der keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hat, ein.

 

Beispiel

Eine Verbundentscheidung wird den Verfahrensbevollmächtigten der Ehegatten am 10.1. zugestellt. Die Ehegatten haben Rechtsmittelverzicht, nicht aber Verzicht auf Anschlussrechtsmittel erklärt. Dem Jugendamt wird die Entscheidung am 3.2. zugestellt. Die Beschwerdefrist für das Jugendamt beginnt am 4.2. zu laufen und endet am 3.3. Wird ein Rechtsmittel durch das Jugendamt nicht eingelegt, wird die Entscheidung am 4.3. rechtskräftig.

 

Praxistipp

Es sollte nicht nur auf Rechtsmittel, sondern auch auf Anschlussrechtsmittel durch die Ehegatten verzichtet werden, damit die Scheidung sofort rechtskräftig werden kann.

 

Rz. 476

Ist die Scheidungssache im Verbund in der Beschwerdeinstanz anhängig, wäre zur Herbeiführung der Rechtskraft auch ein Verzicht auf das Antragsrecht nach § 147 FamFG erforderlich!

§ 147 FamFG regelt die Möglichkeit der erweiterten Aufhebung:

 

§ 147 FamFG

-1-Wird eine Entscheidung auf Rechtsbeschwerde teilweise aufgehoben, kann das Rechtsbeschwerdegericht auf Antrag eines Beteiligten die Entscheidung auch insoweit aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverweisen, als dies wegen des Zusammenhangs mit der aufgehobenen Entscheidung geboten erscheint. -2-Eine Aufhebung des Scheidungsausspruchs kann nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der Rechtsmittelbegründung oder des Beschlusses über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, bei mehreren Zustellungen bis zum Ablauf eines Monats nach der letzten Zustellung, beantragt werden.“

 

Rz. 477

Der sogenannte "Fluranwalt" erhält keine Verfahrensgebühr nach Teil 3 Abschnitt 1 des VV, sondern eine solche in Höhe von 0,8 für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV.[332]

Es ist bundesweit gang und gäbe, dass allerdings der Fluranwalt in der Regel zu einem bestimmten Betrag × (z.B. 300,00 EUR) den Scheidungstermin mit wahrnimmt, um dort für den anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegner einen Rechtsmittelverzicht zu erklären. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Handhabung berufsrechtlich zulässig ist. Denn mit diesen Pauschalbeträgen wird – und das ist ja auch so gewollt – in der Regel die gesetzliche Vergütung unterschritten. Eine Gebührenunterschreitung in gerichtlichen Verfahren ist jedoch nur erlaubt,

wenn ein Erfolgshonorar im Sinne des § 4a RVG geschlossen[333] worden ist (vgl. dazu § 3 Rdn 10 u. 130 ff.),
ansonsten nach Beendigung des Mandats im Einzelfall, vgl. § 49b Abs. 1 BRAO,
wenn der Auftrag nicht vom Mandanten, sondern von einem anderen Rechtsanwalt erteilt wurde, da § 49b BRAO in solchen Fällen keine Anwendung findet, so auch der BGH bereits 2006.[334]
 

Rz. 478

Da in einem Familienrechtsmandat bereits unter dem Gesichtspunkt der Interessenkollision wohl kaum der Auftrag an einen anderen Anwalt erfolgen kann, den Antragsgegner zu vertreten, wenn man selbst z.B. die Antragstellerin vertritt, und auch die beiden anderen Ausnahmefälle regelmäßig nicht gegeben sein dürften, stellt sich die Frage, wie sich der Rechtsanwalt hier korrekt verhält.

Will er nicht gegen sein Berufsrecht verstoßen, ist er verpflich...

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