Rz. 22

Berechnungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn sich die Verteilung der Arbeit auf die Wochentage unterjährig endet. Das BAG vertrat früher die Auffassung, die Urlaubstage seien grundsätzlich umzurechnen, wenn sich die Anzahl der mit Arbeitspflicht belegten Tage verringere oder erhöhe[9] (sog. Quotierung). Daran hat das BAG[10] nach den Entscheidungen des EuGH vom 22.4.2010[11] und vom 13.6.2013[12] für den Fall der Verringerung der belegten Wochentage nicht festgehalten und sich der Auffassung des EuGH angeschlossen. Danach ergeben sich nun bezogen auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch grundsätzlich zwei denkbare Varianten, wobei es entgegen den verbreiteten Rezeptionen der Entscheidungen des EuGH nicht auf die Zahl der von einem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden ankommt, sondern stets auf die Zahl der pro Woche zu arbeitenden Tage:

"Erhöhungsfälle: Wechsel von weniger auf mehr Wochentage":
Wechselt ein Beschäftigter, der einen vertragliche Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche hat, zum 1.7. von einer Tätigkeit an z.B. ei­nem Tag pro Woche auf eine solche an 5 Tagen pro Woche, ist mit dem Wechsel eine Quotierung durchzuführen.[13] Für den ersten Zeitraum ergibt sich ein Ur­laubsanspruch von (30/5 * 1/12 * 6 =) drei Tagen und für den zweiten Zeitraum von (30/5 * 5/12 * 6 =)15 Tagen, insgesamt also ein Urlaubsanspruch im Umfang von 18 Tagen.
Sind im ersten Zeitraum mehr als drei Tage Urlaub gewährt worden, sind die überschießenden Tage zum Zeitpunkt der Quotierung (1.7.) auf die 15 Tage Urlaubsanspruch für den zweiten Zeitraum anzurechnen.
"Verringerungsfälle Wechsel von mehr auf weniger Wochentage":
Anders stellt sich die Situation dar, wenn sich die Zahl der Urlaubstage zum Wechsel durch die Quotierung reduzieren würde. Nun sieht der EuGH[14] eine Diskriminierung wegen Teilzeit: Wechselt der Beschäftigte, der einen vertragliche Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche hat, zum 01.07. von einer Tätigkeit an 5 Tagen pro Woche auf eine solche an nur noch 2 Tagen pro Woche, bleiben die zum 01.01. erworbenen 30 Urlaubstage erhalten. Wurden in der ersten Jahreshälfte noch keine Urlaubstage verbraucht, hat dies zur Folge, dass der Beschäftigte dann in der zweiten Jahreshälfte für insgesamt 15 Wochen (entspricht 15 * 2 = 30 Urlaubstagen).
 

Rz. 23

Das BAG hat in der Entscheidung v. 10.2.2015 erwogen, wegen der sich in der zweiten Gestaltung ergebenden Folgen erneut den EuGH anzurufen, dann aber doch davon abgesehen. In einer späteren Entscheidung hat das BAG am Modell der Quotierung festgehalten.[15] Dabei handelte es sich wiederum um einen Fall der Erhöhung der Wochenarbeitstage bei der sich gleichzeitig die Zahl der Wochenstunden verringerte.

 

Rz. 24

Die Rechtsprechung des EuGH stößt zu Recht auf Kritik. Gerechte und praktikable Lösungen sind nur dann möglich, wenn der Urlaub bei einem Wechsel der zu arbeitenden Wochentage entsprechend dem Beispiel in Rdn 25 konkret errechnet und somit quotiert wird. In der Praxis lassen sich die Konsequenzen des EuGH nur dann vermeiden, wenn der Urlaub zum Zeitpunkt des Wechsels konkret errechnet und auch genommen wird. Ergibt sich ein Urlaubsrest, der noch nicht genommen werden konnte, ist er nach dem Verhältnis der Arbeitstage vor und nach dem Wechsel zu korrigieren.

 

Rz. 25

 

Beispiel

Ein Beschäftigter hat einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen bei einer 5-Tage-Woche. Er wechselt zum 1.7. von einer Tätigkeit an z.B. vier Tagen pro Woche auf eine solche an 5 Tagen pro Woche. Für den ersten Zeitraum ergibt sich ein Urlaubsanspruch von (30/5 * 4/12 * 6 =) 12 Tagen und für den zweiten Zeitraum von (30/5 * 5/12 * 6 =) 15 Tagen, insgesamt also ein Urlaubsanspruch im Umfang von 27 Tagen.

Wurden bis zum 1.7. beispielsweise nur 10 Urlaubstage gewährt, verbleibt ein Rest von 2 Tagen. Diese sind wie folgt zu quotieren: 2/[alte Zahl der Wochentage] * [neue Zahl der Wochentage], also 2/4 * 5 = 2,5. Das Resultat von 2,5 Tagen ist in den neuen Zeitraum zu übertragen, so dass sich ab dem 01.07. dann (15 + 2,5 =) 17,5 Urlaubstage ergeben.

Wurde im Beispiel im ersten Zeitraum zu viel Urlaub gewährt, ist allerdings ein Defizitabzug für den zweiten Zeitraum unzulässig. Wurden im ersten Zeitraum beispielsweise bereits 20 Urlaubstage verbraucht, bleiben für den zweiten Zeitraum noch (27 – 20 =) 7 Urlaubstage. Dass 8 der im ersten Zeitraum genommenen Urlaubstage an sich dem zweiten Zeitraum zuzurechnen waren und deshalb quotal falsch bewertet sind, bleibt in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 3 BUrlG unberücksichtigt.

[9] Vgl. z.B. BAG v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97 – NZA 1999, 156.
[11] EuGH v. 22.4.2010- C-486/08 Rn 35 – Slg. 2010, I-3527 "Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols".
[14] EuGH v. 22.4.2010- C-486/08 Rn 35 – Slg. 2010, I-3527 "Zentralbetriebsrat der Landeskr...

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