Rz. 23

Auch elternbezogene Gründe können – wie bereits dargestellt – eine Verlängerung zulassen.

Eine Verlängerung aus elternbezogenen Gründen ist insbesondere dann zu bejahen, wenn eine überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen ist. Eine solche kann sich ergeben, wenn der betreuende Elternteil neben der Erwerbstätigkeit in einem besonderen Maße die Erziehung, Versorgung und Betreuung des Kindes gewährleistet. Wenn Gründe in der Person des Kindes nicht vorliegen, kommt es entscheidend darauf an, welche objektiven Möglichkeiten der Kindesbetreuung bestehen, die dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit ermöglichen. Hierbei kommt nach dem Willen des Gesetzgebers den bestehenden Möglichkeiten der Kindesbetreuung neben den Kindesbelangen eine besondere Bedeutung zu. Es sind grundsätzlich die Möglichkeiten einer zumutbaren, verlässlichen Betreuung des Kindes in Anspruch zu nehmen, die dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe berufen.

 

Rz. 24

Beteiligt sich ein Elternteil in keiner Weise an der Betreuung des Kindes, kann dies Unterhaltsansprüche rechtfertigen.

Das OLG Köln[35] führt diese wie folgt aus:

Zitat

"Zutreffend hat das Amtsgericht im Rahmen der erforderlichen Billigkeitsabwägung auch berücksichtigt, dass aufgrund des Alters des seit November 2020 fünfjährigen Kindes außerhalb der Zeiten der Fremdbetreuung ein zusätzlicher erheblicher Bedarf an Erziehung, Versorgung und Betreuung besteht, der – offenbar mangels jeglichen Interesses des Antragstellers an Umgangskontakten – allein durch die Antragsgegnerin bewerkstelligt werden muss. Dieser Betreuungsbedarf bindet die Antragsgegnerin nach Ansicht des Senats in einem anerkennenswerten und zu berücksichtigenden Umfang, der es jedenfalls derzeit unbillig erscheinen ließe, der Antragsgegnerin mehr als 75 % einer Vollzeittätigkeit abzuverlangen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer vom Antragsteller vorgetragenen ggf. kürzeren Fahrtzeit zum Arbeitgeber. Denn bei der Antragsgegnerin ist aufgrund der Alleinbetreuung des Kindes außerhalb der Kita-Zeiten, vor allem morgens, abends und am gesamten Wochenende eine überobligatorische Belastung festzustellen."

Elternbezogene Gründe können eine Verlängerung auch dann zulassen, wenn der Unterhaltspflichtige gegenüber dem Unterhaltsberechtigten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Dies ist etwa der Fall, wenn das Kind in der Erwartung eines dauerhaften Zusammenlebens gezeugt wurde und zwischen den Elternteilen Einigkeit darüber bestand, dass ein Elternteil das Kind dauerhaft betreut, während der andere Elternteil den erforderlichen Unterhalt zur Verfügung stellt.[36]

Der BGH[37] formuliert dies wie folgt:

Zitat

"Ein elternbezogener Grund zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist."

 

Rz. 25

Auch eine Erkrankung des betreuenden Elternteils selbst kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein.[38] Das OLG Celle[39] äußert sich dazu wie folgt:

Zitat

"Die Antragstellerin muss daher nicht nur die Doppelbelastung einer erwerbstätigen Alleinerziehenden, sondern darüber hinaus die psychischen Auswirkungen der festgestellten Genmutation tragen. … Aus dieser negativen Prognose für die Antragstellerin ergeben sich aber auch Folgerungen für das Mutter-Kind-Verhältnis, muss doch M.S. damit leben, dass ihre Mutter an Chorea Huntington erkranken wird und sie eine reduzierte Lebenserwartung hat. Es entspricht daher der Billigkeit, auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen und beiden die Möglichkeit zu geben, Zeit miteinander zu verbringen. M.S. muss damit rechnen, dass sie in vergleichsweise jungen Jahren ohne Elternteil dasteht, da der Antragsgegner zu ihr keinen Kontakt hat. Angesichts dessen ist ihr zuzubilligen, dass sie in einer Atmosphäre aufwachsen kann, in der ihre Mutter nicht bis zur absoluten Belastungsgrenze mit der Trias aus alleinerziehender Mutter, Erwerbstätigkeit und ungünstiger Lebensperspektive beansprucht wird, sondern sie die Zeit mit ihrer Mutter intensiv nutzen kann. Insofern greifen hier kind- und elternbezogene Gründe für das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs ineinander."

 

Rz. 26

Die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen stellt hingegen keinen elternbezogenen Grund dar. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist ein solcher Fall nicht einmal im Rahmen des nachehelichen Unterhalts nach § 1570 Abs. 2 ...

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