I. Allgemeines

 

Rz. 65

Wenn von Nutzfahrzeugen (Nfz) gesprochen wird, umfasst dies eine Vielzahl von Fahrzeugen. In diesem Fall zählen zu der Art der Nutzfahrzeuge die Lastkraftwagen, Transporter, Kraftomnibusse sowie Traktoren, Schlepper und Straßenbahnen. Es zeigt sich, dass das Gebiet der Nutzfahrzeuge deutlich breit gefächert ist.

 

Rz. 66

Im Vergleich zu Unfällen mit Personenkraftwagen sind Unfälle mit Nutzfahrzeugen hinsichtlich des Verletzungsgrades meist schwerwiegender. Die Statistik der Abb. 5.44 zeigt jedoch, dass im Vergleich über die Jahre 2007 bis 2011 die Unfälle mit tödlichem Ausgang rückläufig sind.

Abb. 5.44[1]

Hierbei ist es notwendig, einen Vergleich zwischen dem motorisierten Individualverkehr (Pkw, Motorrad, Mofa und Moped), dem Kraftomnibus (KOM) sowie dem Güterkraftverkehr zu ziehen.

Im Jahre 2013 gab es insgesamt 3.299 getötete Insassen im Straßenverkehr. Davon wurden 11 Personen im Omnibusverkehr und 148 Personen beim Güterkraftverkehr getötet. Der motorisierte Individualverkehr (Pkw, Motorrad, Mofa, Moped) wies hingegen eine Anzahl von 2.229 getöteten Personen auf.[2]

Im Güterkraftverkehr sowie im KOM-Verkehr rangiert die Zahl getöteter Insassen eher im 2- bis 3-stelligen Bereich. Im Vergleich zu Unfällen im motorisierten Individualverkehr ist also die Anzahl der Unfälle mit Nutzfahrzeugen insgesamt geringer, da die Zulassungszahlen im Pkw-Sektor deutlich höher ausfallen als bei Nutzfahrzeugen. Die Folgen eines Nutzfahrzeugunfalls sind jedoch für den Insassen zumeist schwerwiegender als bei einer Pkw/Pkw-Kollision.

 

Rz. 67

Die o.a. Problematik einer Nutzfahrzeug-Kollision ist damit zu begründen, dass bereits in puncto Kompatibilität der Fahrzeuge große Unzulänglichkeiten vorliegen. Unter Kompatibilität versteht man in diesem Zusammenhang das positive Zusammenwirken von Fahrzeugstrukturen/-bauteilen der unfallbeteiligten Fahrzeuge. Über die Kompatibilität sollen die Belastungen der Insassen und damit die Unfallfolgen gemindert werden.

Die crash-absorbierenden Bauteile eines Pkw liegen auf anderen Bodenaufstandshöhen als z.B. jene an einem Lkw. Dadurch kann es zum Unterfahren des Pkw am Nutzfahrzeug kommen, wodurch die schützenden Deformationselemente an einem Pkw unwirksam werden können (Inkompatibilität).

 

Wie der angeführte Versuch in den Abb. 5.45 bis 5.48 zeigt, schiebt sich der Kleinwagen unter die Lkw-Front, wodurch eine extreme Intrusion in die Fahrgastzelle des Pkw erfolgt.

Es liegt auf der Hand, dass bei Kollisionen mit weniger geschützten Kollisionsgegnern, wie z.B. Fußgängern, Radfahrern oder aber Motorrad-Fahrern die Verletzungsgefahr noch deutlich höher ist und der Unfall meist tödlich endet.

 

Rz. 68

Nicht nur die Inkompatibilität der Aufbauten, sondern auch die Massenverhältnisse der Kollisionspartner spielen beim Crash eine größere Rolle. Getreu dem Motto "Masse gewinnt" bietet das Nutzfahrzeug bei Kollisionen mit einem Pkw genügend Schutz für den Insassen des Nutzfahrzeugs. Zum einen bleibt der Überlebensraum im Nutzfahrzeug erhalten, zum anderen sind die Insassenbelastungen, die ebenfalls zu schweren Verletzungen führen können, erheblich niedriger als im Pkw. Im Pkw wird der Überlebensraum bei einer Kollision (vgl. Abb. 5.47) komplett "vernichtet". Nicht nur die Fahrgastzelle wird zerstört, auch die Insassenbelastung ist immens hoch. Wenn bei Pkw-Pkw-Unfällen die Massenverhältnisse im Bereich von 1 bis maximal 2 rangieren, so ist es bei Nutzfahrzeugunfällen oftmals so, dass das Massenverhältnis in einem Bereich von 1:10 bis maximal 1:40 liegen kann, was letztlich für den unfallbeteiligten Kollisionspartner mit dem geringeren Gewicht deutlich größere Auswirkungen hat. Im massenmäßig unterlegenen Pkw tritt bei einem Crash eine sehr hohe Geschwindigkeitsänderung ein, was letztlich für den Insassen des Pkw zu einer sehr hohen biomechanischen Belastung führt, die in den meisten Fällen schwere, wenn nicht gleich tödliche Verletzungen auslösen kann.

 

Rz. 69

Seitens der Hersteller wurde in jüngster Zeit diese Problematik erkannt, weshalb durch Crash-Systeme ein Schutz für den unterlegenen Kollisionspartner erzielt werden soll. Im Lkw-Sektor ist die Einführung von geeigneten Unterfahrschützen hierbei ein Lösungsansatz.

 

Durch das gezeigte Plankenrahmensystem soll ein Abgleiten eines Kollisionsgegners am gestoßenen Trailer erzielt werden (Abb. 5.49 und 5.50).

Es kommt bei Auffahrunfällen mit Lkw Trailern meist zu einem Unterfahren des anstoßenden Pkw, weshalb z.B. der Hersteller Krone einen patentierten heckseitigen Unterfahrschutz in Serie bringen möchte.

 

Rz. 70

Schwere Unfälle von Nutzfahrzeugen ereignen sich zumeist im gleichgerichteten Verkehr, also auf Autobahnen oder mehrspurigen Bundesstraßen. Typisch hierfür ist die Annäherung eines Lkw an ein Stauende oder ein Lkw-Spurwechsel.

Bei der Unfallkonstellation Nutzfahrzeug-Pkw ist der leidtragende in den meisten Fällen der Pkw-Insasse. Bei der Unfallkonstellation Nutzfahrzeug-Nutzfahrzeug ist es jedoch so, dass es aufgrund der hohen Massenkräfte auch für ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge