Rz. 2

Ausgangspunkt ist zunächst der Untersuchungsgrundsatz, der sowohl im Verwaltungsverfahren (§ 24 VwVfG) als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 VwGO) gilt.[2] Dieser Grundsatz hat im StVG seine Ausprägung erfahren (vgl. § 2 Abs. 7 u. 8 StVG) und wird durch die §§ 11 ff. FeV weiter präzisiert.[3]

 

Rz. 3

Die Fahrerlaubnisbehörde bedient sich dabei aller Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält (§ 26 VwVfG). Eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel gibt es im Verwaltungsrecht (weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess) nicht. Dabei kann sie insbesondere

Auskünfte jeder Art einholen,
Beteiligte anhören,
Zeugen und Sachverständige vernehmen,
Schriftliche Äußerungen von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
Urkunden beiziehen,
Akten beiziehen,
Augenschein einnehmen.
 

Rz. 4

Danach ermittelt zunächst einmal die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. An das Vorbringen und an Beweisanträge der Beteiligten ist die Behörde nicht gebunden. Sie hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für den Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 24 VwVfG).

 

Rz. 5

Dabei ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, Hinweisen auf mögliche Nichteignung von Kfz-Führern sofort nachzugehen. Die Behörde muss sich nicht auf ein Zuwarten bis zu einer möglichen Rechtsgüterverletzung Dritter durch den betroffenen Kraftfahrer verweisen lassen.

 

Rz. 6

Im Gegenteil: Geht sie ihr bekannten Hinweisen nicht nach und kommt es danach zu einem Schadensfall, so ist Schadensersatz nach den Grundsätzen der Amtshaftung denkbar (vgl. Art. 34 GG, § 839 BGB).

 

Rz. 7

Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ist auch Einlassungen des Betroffenen nachzugehen. Dies gilt auch dann, wenn diesem zunächst einmal mit Skepsis zu begegnen ist.[4]

 

Rz. 8

Die insgesamt gebotene umfassende Sachverhaltsermittlung kann auch privatärztliche Stellungnahmen berücksichtigen, selbst wenn diese letztendlich gemäß § 11 Abs. 2 S. 5 FeV nicht als gutachterliche Stellungnahmen gewertet werden sollen. Ihre Berücksichtigung ist insbesondere im Fall komplizierter Erkrankungen dann geboten, wenn dabei Stellungnahmen von langfristig behandelnden Ärzten eingeführt werden können.[5]

 

Rz. 9

Insbesondere auch im Rahmen von Ermessensentscheidungen (vgl. dazu z.B. § 11 Abs. 2 S. 1 FeV, zur Frage, ob ein Gutachten eingeholt werden kann) ist auf eine umfassende Sachverhaltsermittlung zu achten. Findet diese umfassende Sachverhaltsaufklärung (z.B. im Rahmen des § 11 Abs. 2 S. 1 FeV) nicht statt und geht die Behörde damit vom falschen Sachverhalt aus, so ist im Beispielsfall des § 11 Abs. 2 S. 1 FeV die Einholung des Gutachtens rechtsfehlerhaft. Wichtig: Unzutreffende Sachverhaltsfeststellungen und die Nichtberücksichtigung wesentlicher Umstände stellen sich als Fehler bei der Art und Weise, wie die Behörde zu ihrer Entscheidung gekommen ist, dar, und führen zu einem Ermessensfehlgebrauch (Ermessensmissbrauch), der wiederum gerichtlich überprüfbar ist.[6]

 

Rz. 10

Stellt der Sachverständige oder Prüfer im Rahmen der Prüfung Tatsachen fest, die bei ihm Zweifel über die körperliche oder geistige Eignung des FE-Bewerbers begründen, so hat er der Fahrerlaubnisbehörde Mitteilung zu machen und den FE-Bewerber hierüber zu unterrichten, § 18 Abs. 3 FeV.

 

Rz. 11

Nach § 2 Abs. 12 StVG hat die Polizei Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. So darf z.B. eine im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens entnommene Haarprobe für die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde über die Entziehung der FE nicht nur berücksichtigt werden. Ein darauf aufbauendes, im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen erstelltes Gutachten unterliegt keinem Verwertungsverbot im FE-Entziehungsverfahren. Die Polizei ist aufgrund § 2 Abs. 12 S. 1 StVG zu einer Weitergabe solcher fahreignungsrelevanter Ermittlungsergebnisse an die Fahrerlaubnisbehörden sogar verpflichtet.[7]

 

Rz. 12

Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten.

 

Rz. 13

Andererseits darf die Fahrerlaubnisbehörde die Polizei im Einzelfall über die Entziehung der FE und das Bestehen eines Fahrverbots informieren, damit diese die Einhaltung der Entscheidungen überwachen kann (§ 3 Abs. 5 StVG).[8]

 

Rz. 14

Auch Mitteilungen von Nachbarn ist nachzugehen. Sie sind aber auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. In keinem Fall dürfen die Behauptungen einer Privatperson ohne zumutbare weitere Ermittlungen einfach übernommen werden.[9] Angaben von Privatpersonen stellen – auch wenn sich hierbei keine Anhaltspunkte für Na...

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