Rz. 33

a) Die Rechtsprechung hat angesichts der nur eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Betroffenen einer Beibringungsanordnung – quasi als Korrektiv – den Fahrerlaubnisbehörden aufgegeben, die Umstände, die Zweifel an der Fahreignung begründen, konkret und nachvollziehbar in der Beibringungsanordnung zu beschreiben. Die Erfüllung der in § 11 Abs. 6 S. 2 FeV genannten "Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung" wird strikt eingefordert. Es genügt ausdrücklich nicht, dass der Betroffene auf die Umstände eines ihn betreffenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens verwiesen wird, aus dem er wisse, worum es geht).[37] Es müssen also die Umstände, welche die Fahreignung in Zweifel ziehen, konkret benannt sowie, welche Eignungszweifel daraus folgen, wiedergegeben werden. Hier werden in der Praxis häufig Fehler gemacht, insbesondere bei Anordnungen, die mittels eines Formblatts getroffen werden.

 

Praxistipp

Wenn die Anordnung per Formblatt getroffen wird, besonders genau prüfen!

 

Beispiel

Nicht genügend: Wegen der Trunkenheitsfahrt am 21.12.2010 mit einer BAK von 1,65 ‰ wird von Ihnen die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens innerhalb von 2 Monaten verlangt.

Genügend: Am 21.12.2010 nahmen Sie mit einer BAK von 1,65 ‰ am Straßenverkehr teil. Die Straßenverkehrsbehörde hat daher Zweifel, dass Sie zukünftig einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht hinreichend sicher trennen können, da das Erreichen einer so hohen Alkoholkonzentration eine erhöhte Alkoholgewöhnung voraussetzt. Es wird daher nach § 13 Nr. 2 lit. c FeV die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens binnen 2 Monaten gefordert.

 

Rz. 34

Weiter hat die Behörde nach § 11 Abs. 6 S. 2 FeV die in Frage kommenden Stellen mitzuteilen, was in der Regel über eine Liste der im Bereich der Fahrerlaubnisbehörde vertretenen Begutachtungsstellen erfolgt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass auch jede andere zugelassene Stelle beauftragt werden kann.

 

Rz. 35

b) Nach § 11 Abs. 6 S. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde auch die Fragen vorzugeben, die die Untersuchungsstelle zu klären hat.[38] Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 S. 1 FeV, aber erst die Mitteilung der Fragestellung zusammen mit den konkreten Umständen, woraus die Behörde Zweifel an der Fahreignung herleitet, setzt den Betroffenen in die Lage, sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob die Anordnung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Wenngleich wünschenswert, muss nicht zwingend grammatikalisch eine Frage formuliert werden, es genügt eine Umschreibung, was im Hinblick auf die Fahreignung zu klären ist. An die Aufforderung zur Beibringung einer MPU sind strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere darf sich die Fragestellung nur auf die im Einzelfall konkret im Raum stehenden Eignungszweifel beziehen.[39]

Sollte die Behörde aus eigenem Sachverstand nicht in der Lage sein, die Fragestellung hinreichend zu präzisieren, was gerade bei mehreren naheliegenden Eignungsmängeln der Fall sein kann, muss sie sich des öffentlichen Gesundheitsdienstes bedienen, um eine rechtskonforme Fragestellung zu erlangen.[40]

 

Rz. 36

c) Der in § 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV vorgeschriebene Hinweis der Fahrerlaubnisbehörde, dass der Betroffene die der Begutachtungsstelle zu übersendenden Unterlagen einsehen kann, dürfte mit Blick auf Zweck und Begründung der Norm nur eine Ordnungsvorschrift sein. Deren Verletzung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beibringungsanordnung.[41]

[37] Lesenswert und grundsätzlich hierzu BVerwG v. 5.7.2001, NJW 2002, 78; vgl. auch: VGH BW v. 20.4.2010, zfs 2010, 417; v. 24.6.2002, VBlBW 2002, 441; BayVGH v. 28.9.2006, 11 CS 06.732; v. 17.8.2007, 11 CS 07.25.
[38] VGH BW v. 20.4.2010, zfs 2010, 417; BayVGH v. 28.9.2006, 11 CS 06.732; v. 17.8.2007, 11 CS 07.25.
[39] VGH BW v. 30.6.2011, NJW 2011, 3257.
[40] VGH BW, Urt. v. 10.12.2013, 10 S 2397/12, NZV 2014, 428 – diese Entscheidung wurde bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 5.2.2016 – 3 B 16/14, NJW 2016, 179; Zwerger, jurisPR-VerkR 3/2014 Anm. 6.
[41] So: HessVGH, Urt. v. 26.5.2011, DÖV 2011, 862; BayVGH, Beschl. v. 27.11.2012, zfs 2013, 177; zusammenfassend: Scheidler, DAR 2014, 685/688 f.; a.A. VG Osnabrück, Beschl. v. 7.3.2011, NJW 2011, 2986.

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