I. Strafrecht

 

Rz. 26

Das strafrechtliche Verfahren wird im verkehrsrechtlichen Bereich eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Denn die Beschuldigten werden durch die hohe Punktandrohung einerseits und die langen Tilgungsfristen anderseits ein erhebliches Interesse daran haben, die Verfahren möglichst niedrigschwellig zu beenden.

1. Überblick

 

Rz. 27

Da die Rechtsschutzversicherer Verkehrsrechtsschutz auch für Strafverfahren umfassen – sich allerdings beim Versicherungsnehmer die angefallenen Kosten im Verurteilungsfalle eines Vorsatzdeliktes wieder zurückholen –, ist dieser Bereich zukünftig das Feld, auf dem noch härter um Einstellungen gekämpft werden wird. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass zwei Punkte für besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Verstöße und ihnen gleichgestellte Zuwiderhandlungen vergeben werden, soweit es sich um Straftaten handelt, für die keine Entziehung der Fahrerlaubnis oder isolierte Sperre angeordnet worden ist. Dies betrifft folgende Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch:

Fahrlässige Tötung, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist;
Fahrlässige Körperverletzung, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist;
Nötigung, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist;
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr;
Gefährdung des Straßenverkehrs;
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort;
Trunkenheit im Verkehr;
Vollrausch, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist;
Unterlassene Hilfeleistung, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist;
Führen oder Anordnen oder Zulassen des Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis, trotz Fahrverbots oder trotz Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins;
Kennzeichenmissbrauch, soweit ein Fahrverbot angeordnet worden ist.
 

Rz. 28

Der Verfahrensgang ist zu unterteilen in das Ermittlungsverfahren, das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren, das mit seinem Abschluss in eine rechtskräftige Entscheidung mündet.

 
Verfahren Ermittlungsverfahren
 
  Zwischenverfahren
 
  Hauptverfahren
 
  Rechtskraft

2. Instanzenzug

 

Rz. 29

Sollte ein Urteil ergehen, ist das Hauptverfahren jedoch erst abgeschlossen, wenn dieses Rechtskraft erlangt – denn auch ein ergangenes Urteil kann seinerseits angegriffen werden. Üblicherweise werden Verkehrsstrafsachen am Amtsgericht angeklagt; nur in Ausnahmefällen geht die Staatsanwaltschaft von einer Straferwartung von mehr als 4 Jahren Freiheitsstrafe aus oder hat andere gesetzlich vorgeschriebene Gründe, die Angelegenheit am Landgericht anzuklagen und eine Tatsacheninstanz entfallen zu lassen. Das nach einem Urteil des erstinstanzlichen zuständigen Landgerichts ist danach nur noch mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof angreifbar. Der Übliche Instanzenzug sieht aus wie folgt:

 
Üblicher Instanzenzug/Strafrecht
    Revisionsgericht (Oberlandesgericht/Kammergericht, nur Rechtsfragen)
 

Berufungsgericht/Landgericht

(Tatsachen)
 

Amtsgericht

(Tatsachen)
   
 

Rz. 30

Zu beachten ist, dass bestimmte Rügen nur dann für die Revision erhalten bleiben, wenn sie von Anfang an gerügt worden sind. Sehr vereinfacht ausgedrückt ist der Verteidiger gehalten, das Gericht auf den rechten Weg zu bringen und vor fehlerhaften Entscheidungen durch frühzeitigen Hinweis zu bewahren.

 

Rz. 31

Die Rechtsmittel in der ersten Instanz sind Berufung und Sprungrevision – da eine Instanz gewissermaßen übersprungen wird –; in der Berufungsinstanz nurmehr die Revision.

Abhängig von der Zielsetzung der Verteidigung muss nach Urteilsverkündung in der ersten Instanz innerhalb von einer Woche Rechtsmittel eingelegt werden. Eine Bestimmung des Rechtsmittels ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig, allerdings muss innerhalb der Revisionsbegründungsfrist von einem Monat nach Zustellung der Urteilsgründe eine (Sprung-)Revisionsbegründung gefertigt werden, die jedenfalls diese Bestimmung enthalten muss.

 

Rz. 32

Wird ein Berufungsurteil angegriffen, ist nicht nur die Einlegungsfrist wie in der ersten Instanz bei einer Woche, sondern der weitere Verfahrensgang derjenigen der Sprungrevision gleich.

3. Taktik

 

Rz. 33

Auch wenn das neue Fahreignungs-Bewertungssystem einen erheblichen Punkteabzug nicht mehr ermöglicht, heißt wörtlich in der Begründung des Entwurfes, dass[18]

Zitat

"im Interesse der Vermeidung der Belastung der Justiz […] auf der anderen Seite die bekannte Folge des Tattagsprinzips hingenommen werden [muss], dass sich die Punkte und der Punktestand zunächst außerhalb des Registers ergeben und erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt (mit der Rechtskraft der Entscheidung) im Register abgebildet und retrospektiv berechnet werden können."

 

Rz. 34

Damit wird deutlich, dass natürlich die Einlegung von Rechtsmitteln dazu führen kann, dass durch den Zeitablauf tilgungsreife Eintragungen entfallen und damit das Erreichen einer weiteren Maßnahmestufe ausgeschlossen wird. Zwar sind die Zeiträume beträchtlich verlängert worden durch die Anhebung der Tilgungs- und Überliegefrist, aber der Wegfall der Tilgungshemmung verschafft dem Betroffenen unter Umständen Vorteile bei lang gefüh...

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