Rz. 13

Durch die 4. KH-Richtlinie der EU vom 16.5.2002 sollte die Situation eines Geschädigten bei Auslandsunfällen wesentlich verbessert werden. Die 4. KH-Richtlinie der EU ist durch das Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 10.7.2002 (BGBl I, S. 2586 ff.) mit Wirkung zum 1.1.2003 umgesetzt worden. Nach § 7b VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) hat ein Versicherungsunternehmen in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (nachfolgend EWR genannt) einen inländischen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen. Dieser hat im Auftrag des Versicherungsunternehmens Ansprüche auf Ersatz von Personen- und Sachschäden zu bearbeiten und zu regulieren, die wegen eines Unfalls entstanden sind, welcher sich in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Wohnsitz-Mitgliedstaat des Geschädigten ereignet hat und der durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat (siehe hierzu auch § 1 Rdn 291 ff.).

 

Rz. 14

Der Schadenregulierungsbeauftragte muss in dem Staat ansässig sein, für den er benannt ist, über ausreichende Befugnisse zur Regulierung der Schadensersatzansprüche und deren Befriedigung verfügen und die Amtssprache des Landes beherrschen, für das er benannt ist (§ 7b Abs. 2 VAG). Über Namen und Anschrift des Versicherers des schädigenden Fahrzeugs sowie dessen inländischen Schadenregulierungsbeauftragten erteilt eine Auskunftsstelle Auskunft, deren Aufgaben und Befugnisse vom "Zentralruf der Autoversicherer" in Hamburg wahrgenommen wird (§ 8a Abs. 3 PflVG).

 

Rz. 15

Bei einem Auslandsschaden haben der Versicherer oder sein Schadenregulierungsbeauftragter dem Geschädigten unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten ein mit Gründen versehenes Schadensersatzangebot vorzulegen, wenn die Eintrittspflicht unstreitig ist und der Schaden beziffert wurde, oder eine mit Gründen versehene Antwort auf die im Antrag enthaltenen Darlegungen zu erteilen, sofern die Eintrittspflicht bestritten wird oder der Schaden nicht vollständig beziffert worden ist (§ 3a Abs. 1 PflVG). Wird das Angebot nicht binnen drei Monaten vorgelegt, ist der Anspruch des Geschädigten nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB zu verzinsen (§ 3a Nr. 2 PflVG).

 

Rz. 16

Hat der ausländische Versicherer oder sein inländischer Schadenregulierungsbeauftragter nicht binnen der in § 3a Nr. 1 PflVG vorgesehenen Frist sein Angebot unterbreitet oder eine Antwort erteilt, oder aber wenn der ausländische Versicherer keinen inländischen Schadenregulierungsbeauftragten gestellt hat, kann der inländische Geschädigte aus Unfällen, die sich seit dem 31.12.2002 ereignen, seine Ansprüche gegen die "Entschädigungsstelle für Schäden aus Auslandsunfällen" (Entschädigungsstelle) geltend machen (§ 12a Abs. 1 PflVG). Die Aufgaben und Befugnisse der Entschädigungsstelle nach § 12a PflVG werden von der "Verkehrsopferhilfe e.V." in Hamburg wahrgenommen.

 

Rz. 17

Ein Antrag auf Erstattung durch die Verkehrsopferhilfe ist nicht zulässig, wenn der Geschädigte unmittelbar gegen das ausländische Versicherungsunternehmen gerichtliche Schritte eingeleitet hat (§ 12a Abs. 1 S. 2 PflVG). Die Entschädigungsstelle nach § 12a Abs. 1 PflVG wird binnen zwei Monaten nach Eingang eines Schadensersatzantrages des Geschädigten tätig, wenn das ausländische Versicherungsunternehmen oder dessen Schadenregulierungsbeauftragter in dieser Zeit keine auf das Schadensersatzbegehren versehende Antwort erteilt oder ein begründetes Angebot vorgelegt hat (§ 12a Abs. 3 PflVG). Das Deutsche Büro Grüne Karte e.V. bzw. die Verkehrsopferhilfe haben ihr als Anlage 13 (im Anhang, siehe § 14 Rdn 17) beigefügtes Merkblatt entsprechend ergänzt und vervollständigt.

 

Rz. 18

Der Arbeitskreis VI des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags 2002 – Kraftfahrzeug-Unfall in Europa – hat hierzu folgende Empfehlung verabschiedet:

1. Der Geschädigte hat das Wahlrecht, seine Ansprüche beim Regulierungsbeauftragten im Inland oder beim verantwortlichen Kfz-Haftpflichtversicherer im Ausland geltend zu machen. Dieses Recht darf nicht eingeschränkt werden.
2. Im Hinblick auf die rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten der Schadensregulierung eines Unfalls im Ausland ist Rechtsberatung und Vertretung in der Regel erforderlich.
3. Es muss im Rahmen der Umsetzung sichergestellt werden, dass bei Anrufung der Entschädigungsstelle der Versicherer nach Ablauf der weiteren Zweimonatsfrist den Fall nicht mehr an sich ziehen kann. In diesem Fall kann die Entschädigungsstelle bei Nichteinigung verklagt werden.
 

Rz. 19

 

Beachte

Auch die 4. KH-Richtlinie der EU und deren Umsetzung durch das vorgenannte Gesetz ändern nichts daran, dass der Unfall sowohl zum Grund als auch zur Höhe weiterhin nach dem Recht des Unfall-Landes zu regulieren und zu beurteilen ist. Das Recht des Unfallortes gilt auch für durch einen Unfall "mittelbar geschädigte" ...

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