Rz. 5

Ausschließlich im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung kann gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG der hinter dem Schädiger stehende KH-Versicherer im Wege des Direktanspruchs mitverklagt oder auch allein direkt in Anspruch genommen werden.

 

Beachte

Eine Vielzahl von Versicherungskonzernen verfügen hinsichtlich der Kfz-Sparte über unterschiedliche, jeweils juristisch selbstständige Unternehmen, nämlich insbesondere für Angehörige des öffentlichen Dienstes oder den Internetvertrieb, wie z.B. bei der HUK-Coburg der Versicherungsverein a.G. (für den öffentlichen Dienst), die Allgemeine Versicherungs-AG (für sonstige Versicherungsnehmer) und die HUK24 AG (für den Internet-Direktvertrieb). In diesen Fällen dürfen entgegen der regelmäßigen Konzernangabe im Briefkopf der Unternehmen niemals etwa die "HUK-Coburg Versicherungsgruppe" etc. verklagt werden, sondern es muss der konkrete Versicherer zutreffend mit vollständigem Namen und Rechtsform angegeben werden. Dieser findet sich in der Korrespondenz übrigens regelmäßig nach der Grußformel unter der Unterschrift.
Sollte hier doch einmal ein Fehler passiert sein, kann prozessual nur noch versucht werden, eine Rubrumsänderung zu erwirken oder Kostennachteile mit dem Argument zu vermeiden, dass der (falsche) Versicherer evident nur scheinbar verklagt war (hierzu jüngst OLG Karlsruhe VersR 2020, 249).
 

Rz. 6

Die Leistungspflicht des Versicherers erstreckt sich auf sämtliche Schäden, für die auch der Schädiger (sowohl der Halter gem. § 7 Abs. 1 StVG als auch der Fahrer gem. § 18 StVG, § 823 BGB als Versicherter der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) einzustehen hat. Es handelt sich insoweit um einen gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt des KH-Versicherers zur Schuld des Schädigers (BGH VersR 1972, 255; 1981, 323).

 

Beachte

Den Direktanspruch gegen den Versicherer gibt es ausschließlich in der Kraftfahrthaftpflichtversicherung. Im Rahmen sonstiger Haftpflichtversicherungen (z.B. allgemeine Haftpflicht), auch soweit es sich um Pflichtversicherungen i.S.d. §§ 113 ff. VVG handelt (z.B. Betriebshaftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherung oder Ähnliches), kann nur der Schädiger, nicht aber sein Versicherer verklagt werden. Eine Ausnahme besteht für die Pflichtversicherung seit der VVG-Reform lediglich im Falle der Insolvenz sowie bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 VVG).

 

Rz. 7

Die Anmeldung der Schadenersatzansprüche beim KH-Versicherer bewirkt die Hemmung der Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers (§ 115 Abs. 2 S. 3 VVG). An die Anmeldung der Ersatzansprüche sind keine strengen Anforderungen zu stellen (OLG Frankfurt DAR 1992, 60). In der Schadensanmeldung müssen nicht alle Ersatzansprüche im Einzelnen bezeichnet oder gar beziffert werden (BGH VersR 1978, 423; 1979, 915; 1982, 546; OLG München zfs 1997, 219).

 

Beachte

Nur die erstmalige Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einem Kfz-Haftpflichtversicherer bewirkt die Verjährungshemmung nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG (BGH zfs 2003, 174).

 

Rz. 8

Der Hemmungstatbestand des § 115 Abs. 2 S. 3 VVG ist für die Rechtsstellung des Geschädigten von außerordentlicher Bedeutung. Die Hemmung der Verjährung endet erst mit der schriftlichen Entscheidung des Versicherers. Eine solche Entscheidung im Sinne des § 115 Abs. 2 S. 3 VVG liegt aber nur dann vor, wenn sie eine eindeutige und endgültige Entscheidung zu den angemeldeten Ansprüchen darstellt. Sie muss eindeutig erkennen lassen, dass der Versicherer die Regulierungsverhandlungen beendet (BGH VersR 1978, 423). Abrechnungsschreiben des KH-Versicherers, die einzelne Schadenspositionen betreffen, stellen keine endgültige, zum Wegfall der Verjährungshemmung führende schriftliche Entscheidung des Versicherers dar (BGH zfs 1996, 126). Die nach § 115 Abs. 2 S. 3 VVG erforderliche schriftliche Entscheidung des Versicherers kann nicht ersetzt werden durch ein Schreiben des Geschädigten an den KH-Versicherer, in dem er eine mündliche Ablehnung durch den Versicherer bestätigt (BGH DAR 1997, 246). Vgl. hierzu im Übrigen Kapitel 12 – Vergleich und Verjährung (siehe § 12 Rdn 141 ff.).

 

Rz. 9

 

Beachte

Aus Gründen von Treu und Glauben kann einem Haftpflichtversicherer, der nur "Schein-Haftpflichtversicherer" ist, sich aber während der Regulierungsverhandlungen als Versicherer geriert, die Berufung auf fehlende Passivlegitimation wegen unzulässiger Rechtsausübung verwehrt sein (BGH zfs 2000, 330).

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