Rz. 73

In den vergangenen Jahren tritt vermehrt die Frage auf, inwieweit im Schadensersatzprozess aufgrund eines Verkehrsunfalls Videoaufzeichnungen, die von Kameras in Fahrzeugen – insbesondere sogenannten Dashcams – aufgezeichnet wurden, als Beweismittel verwertbar sind. Bedenken der Zulässigkeit bestehen insbesondere bei – ohne besonderen Anlass – ständig mitlaufenden Kameras vor dem Hintergrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der dadurch anlasslos aufgezeichneten Personen. Mangels ausdrücklicher Regelung in der ZPO dürfte über die Verwertbarkeit erst nach einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung zu entscheiden sein (BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH DAR 2003, 268).

 

Rz. 74

In der Rechtsprechung finden sich dementsprechend sowohl Entscheidungen der Instanzgerichte für eine Verwertbarkeit (OLG Nürnberg zfs 2018, 21; LG Landshut v. 1.12.2015 – 12 S 2603/15 – DV 2016, 32; AG Kassel NZV 2017, 490; AG München v. 6.6.2013 – 343 C 4445/13 – zfs 2014, 149; AG München v. 30.11.2015 – 335 C 13895/15 – DAR 2016, 275; AG Köln v. 1.9.2014 – 273 C 162/13; AG Düsseldorf v. 17.12.2004 – 24 C 6736/14; AG Nürnberg v. 8.5.2015 – 18 C 8938/14 – DAR 2015, 472) als auch gegen eine Verwertbarkeit (AG München v. 13.8.2014 – 345 C 5551/14 – zfs 2014, 692; LG Heilbronn v. 3.2.2015 – I 3 S 19/14 – DAR 2015, 211). In der Literatur lassen viele Stimmen unter bestimmten Voraussetzungen die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen auch im Rahmen einer streitigen Güterabwägung zu (Atzert/Frank, RDV 2014, 136; Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622; Vass, DAR 2010, 504), andere lehnen sie grundsätzlich ab (Vahle, DSB 2015, 90).

Zwischenzeitlich hat der BGH (v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17 – VersR 2018, 1076 = zfs 2018, 552) höchstrichterlich entschieden, dass zwar die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht vereinbar ist, jedoch die Verwertung von sogenannten Dashcam-Aufzeichnungen, welche ein Unfallbeteiligter vom Unfallgeschehen gefertigt hat, als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess dennoch zulässig ist (amtlicher Leitsatz). Im entschiedenen Fall war sogar eine Dashcam-Kamera verwendet worden, die regelmäßig über einen Zeitraum von ca. 4 Stunden ohne konkreten Anlass aufzeichnete.

 

Beachte

Wichtig für den Anwalt in der Praxis ist, dass er ggf. einer Verwertung des Beweismittels im Zivilprozess gem. § 295 Abs. 1 ZPO widersprechen muss. Anderenfalls droht ein Verlust des Rügerechts (BGH v. 18.7.2007 – IV ZR 129/06 – VersR 2007, 1260, Rn 40 ff.).

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