Rz. 29

Vermag ein Beteiligter nach seinen Angaben oder nach Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu sehen, so soll zu der Beurkundung ein Zeuge oder zweiter Notar zugezogen werden, es sei denn, dass alle Beteiligten darauf verzichten. Die Tatsache der Feststellung der Sehbehinderung soll in der Niederschrift festgestellt werden. Die Niederschrift soll auch von dem Zeugen oder dem zweiten Notar unterschrieben werden.

 

Rz. 30

Die in § 22 BeurkG enthaltene Regelung stellt erkennbar auf die Behinderung im Zeitpunkt der Beurkundung ab und meint Personen, die dem Beurkundungsvorgang optisch, das heißt mittels ihrer Augen, nicht zu folgen vermögen, wobei hochgradige Schwachsichtigkeit genügt.[39] Keine Sehbehinderung liegt vor, wenn der Sehbehinderte mittels technischer Hilfsmittel (etwa Sehhilfen in Form von Brillen oder Lupen) seine Lesefähigkeit sicherstellt.[40] Ob die Angabe des Beteiligten, er könne nicht hinreichend sehen, richtig war oder, wenn ausnahmsweise diese Feststellung auf der Überzeugung des Notars beruht, ob dieser sich getäuscht hat, ist für die Wirksamkeit der Beurkundung ohne Belang.[41] Ebenso wird die Wirksamkeit der Beurkundung nicht dadurch beeinträchtigt, dass ein Beteiligter über seine Sehbehinderung keine Angaben gemacht hat und sich auch der Notar hiervon nicht überzeugt hat.[42] Auch das Unterbleiben des Feststellungsvermerks gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 BeurkG berührt die Wirksamkeit der Beurkundung nicht. Die Zuziehung des Zeugen, für den lediglich die Zeugenausschlussgründe des § 26 BeurkG zu prüfen sind, oder zweiten Notars bezieht sich auf den gesamten Beurkundungsakt, also beim Verlesen, Genehmigen und Unterschreiben.[43]

 

Rz. 31

Muster 5.9: Beurkundung mit einem sehbehinderten Beteiligten

 

Muster 5.9: Beurkundung mit einem sehbehinderten Beteiligten

_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)

_________________________

Variante mit Zeugenverzicht:

Herr _________________________ vermag nach dessen Angaben (optional: und nach Überzeugung des amtierenden Notars) nicht hinreichend zu sehen, jedoch zu sprechen, zu hören und zu schreiben. Sämtliche Beteiligten verzichteten auf die Zuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars (§ 22 Abs. 1 S. 1 BeurkG).

_________________________

Diese Niederschrift wurde von dem Notar den Erschienenen vorgelesen, von den Erschienenen genehmigt und von ihnen und dem Notar eigenhändig wie folgt unterschrieben:

Variante ohne Zeugenverzicht:

Herr _________________________ vermag nach dessen Angaben (optional: und nach Überzeugung des amtierenden Notars) nicht hinreichend zu sehen, jedoch zu sprechen, zu hören und zu schreiben. Als Zeuge/zweiter Notar wurde Herr/Frau _________________________, geboren am _________________________, wohnhaft in _________________________, ausgewiesen durch _________________________, hinzugezogen (§ 22 Abs. 1 S. 1 BeurkG). Zeugenausschlussgründe im Sinne von § 26 BeurkG liegen nach Angaben der Beteiligten nicht vor, insbesondere ist der Zeuge mit den Beteiligten weder verwandt noch verschwägert.

_________________________

Diese Niederschrift wurde von dem Notar den Erschienenen vorgelesen, von ihnen genehmigt und von ihnen, dem Zeugen/zweiten Notar und dem Notar eigenhändig wie folgt unterschrieben:

[39] Winkler, BeurkG, § 22 Rn 7 m.w.N. in Fn 9.
[40] Winkler, BeurkG, § 22 Rn 7; Seger, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG, § 22 Rn 4.
[41] Winkler, BeurkG, § 22 Rn 15.
[42] Winkler, BeurkG, § 22 Rn 15.
[43] Winkler, BeurkG, § 22 Rn 19.

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