Rz. 29

Dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3a) ARB 75 kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu, weil die Problemstellung häufig anzutreffen ist und der Regelungsinhalt der Vorschrift beim Vergleichsabschluss oft keine Berücksichtigung findet.

 

Rz. 30

Nicht selten werden die Parteien von dem Regelungsinhalt der Vorschrift bei der Abrechnung ihrer Gebühren gegenüber dem RSV regelrecht überrascht. Für Korrekturen ist es dann häufig zu spät, weil bereits eine abschließende und umfassende Kostenregelung getroffen worden ist.

 

Rz. 31

Die Vorschrift greift zum Nachteil des VN, soweit dieser durch eine Kostenregelung im Vergleich entweder Kosten des Gegners übernommen oder diesem gegenüber auf einen materiellen Kostenerstattungsanspruch verzichtet hat.[2] Durch die Vorschrift sollen Kostenzugeständnisse des VN verhindert werden, die bei einer gütlichen Erledigung nicht dem Obsiegen des VN in der Hauptsache entsprechen. Der in Vergleichen häufig anzutreffende Verzicht auf weitere Ansprüche führt zur Kostenaufhebung hinsichtlich der Anwaltskosten und zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3a) ARB 75.

 

Rz. 32

Nach jüngster Rechtsprechung[3] ist der Anwendungsbereich der gegenständlichen Vorschrift allerdings dann zu verneinen, wenn der vom VN geschlossene außergerichtliche Vergleich keine Kostenregelung enthält, also hierzu schweigt. Nach Auffassung des BGH setzt der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 3 lit. b ARB 2000 voraus, "dass der Versicherungsnehmer – ausdrücklich oder konkludent – Kostenzugeständnisse in der Weise gemacht hat, dass die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht. Das ist vom Versicherer darzulegen und zu beweisen."

 

Rz. 33

Um Auseinandersetzungen mit den RSV aus dem Weg zu gehen und um den sichersten Weg einzuschlagen, sollte der RSV Gelegenheit bekommen, sich zu dem beabsichtigten Vergleich zu positionieren. Oder aber der Vergleich sollte entweder nur unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossen und dann mit dem RSV abgestimmt werden oder es sollte lediglich ein Teilvergleich über die Hauptsache geschlossen und die Rechtsanwaltsvergütung hiervon ausdrücklich ausgenommen werden. Hierdurch wäre klargestellt, dass eine Kostenregelung zwischen den Parteien noch nicht getroffen wurde, sondern die Parteien sich Kostenerstattungsansprüche vorbehalten.

 

Rz. 34

Soweit der RSV nicht gewillt ist, den Vergleich zu akzeptieren, könnte immer noch nach alternativen Lösungswegen gesucht werden und es bestünde zumindest die Option, den RSV gegebenenfalls um Deckungsschutz für die gerichtliche Auseinandersetzung zu bitten.

 

Rz. 35

Es ist darauf zu achten, dass der zitierten Entscheidung des BGH v. 25.1.2006 die ARB 75 zugrunde lagen. Zwischenzeitlich haben das LG Hagen[4] zu der Nachfolgevorschrift § 5 Abs. 3b) ARB 94 und das LG Aachen[5] zu § 5 Abs. 3b) ARB 2004 einen zum BGH gegensätzlichen Standpunkt eingenommen und die zitierten ARB-Vorschriften wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt.

 

Rz. 36

Dagegen haben sich das LG Hamburg[6] und das LG Kiel[7] nicht der Entscheidung des LG Hagen angeschlossen. Nach Auffassung dieser beiden Gerichte verstößt die Klausel nicht gegen das Transparenzgebot des § 9 Abs. 1 AGBG a.F. bzw. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. Nach Ansicht des LG Hamburg "kann von einem Rechtsschutzversvertrag, der eine Vielzahl möglicher Rechtsfälle abdecken und regeln muss, mit angemessenem Erläuterungsaufwand" nicht mehr erwartet werden.

 

Rz. 37

Fraglich ist, ob der Anwendungsbereich der gegenständlichen Klausel nur die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG erfasst oder sämtliche angefallenen Gebühren. Das OLG Hamm[8] hat sich für eine Begrenzung auf die Einigungsgebühr ausgesprochen und legt hierzu dar: "[Es] ist zudem anzuführen, dass § 5 Abs. 3 Buchst. b) ARB 94 sich nur auf Kosten bezieht, die “im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung‘ entstanden sind. Im Streitfall schuldete indes der Kläger seinem Rechtsanwalt bereits vor dem Vergleichsschluss die Prozessgebühr und die Verhandlungsgebühr (nebst Nebenkosten). Diese Kosten waren also schon vor der gütlichen Einigung entstanden, sie sind nicht “im Zusammenhang mit‘ der Einigung entstanden und somit schon vom Wortsinn der Klausel nicht erfasst."

 

Rz. 38

Der BGH[9] wendet die Klausel auf alle bereits entstandene Kosten an, weil der "Gebührenanspruch des Anwalts gegen seinen Mandanten auch erst mit Erledigung des Auftrages bzw. Beendigung der Angelegenheit fällig wird, § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG", so Wendt.[10]

[2] BGH, Urt. v. 16.6.1977 – IV ZR 97/76 – VersR 1977, 809; v. 25.1.2006 – IV ZR 207/04 – AGS 2006, 571 und v. 25.5.2011 – IV ZR 59/09 – AGS 2011, 519.
[4] LG Hagen, Urt. v. 23.3.2007 – 1 S 136/06 – NJW-RR 2008, 478; der Entscheidung zustimmend van Bühren/Plote/van Bühren, § 5 Rn 167.

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