Rz. 46

Falllösung Fallbeispiel 55 – Alternative 2:

Die sog. "Forderungsrechtsprechung" akzeptierte unter alter Rechtslage zwar den Vermögenscharakter der Pflichtteilsforderung, wenn sie vor dem Leistungszeitraum angefallen war, machte aber vor dem 1.8.2016 aus Pflichtteils- und Vermächtnisansprüchen bei tatsächlichem Zufluss von Geld im Antragszeitraum aus Vermögen Einkommen, weil es auf das Schicksal der Forderung nicht ankomme.[78]

Für die Realisierung von Forderungen will die Kommentarliteratur trotz des geänderten Gesetzeswortlauts an der "Forderungsrechtsprechung" in der Reinform oder modifiziert festhalten. Realisiere sich aus Pflichtteilsansprüchen, die aufgrund eines Erbfalls vor dem Antragszeitraum angefallen sind, erst im Leistungszeitraum Geld, handele es sich wie bei der Erbschaft vor dem Antragszeitraum um Vermögen. Die Erfüllung im Leistungszeitraum mache die Forderung zu Einkommen. Oder jetzt modifiziert: Die Forderung sei Vermögen. Lasse sich die Forderung nicht bedarfsdeckend monetarisieren und sei eine Verwertung prognostisch nicht absehbar, sei eine später im Leistungszeitraum realisierte Forderung als bloße Geldforderung zu behandeln.[79]

 

Rz. 47

Nach diesseitiger Ansicht ist dem nicht so ohne Weiteres zu folgen, denn die Zuflussrechtsprechung hat mangels gesetzlicher Regelung die Regeln des normativen Zuflusses geschaffen, aber der Gesetzgeber hat 2016 entschieden, dass mit geldwerten Einnahmen jetzt anders umzugehen ist. Sie sind per se Vermögen und nach §§ 12, 24 Abs. 5 SGB II solange zu prüfen, wie man zu dem Ergebnis kommt, dass sie entweder Schonvermögen, prognostisch innerhalb von 12 Monaten verwertbar oder im nächsten Leistungszeitraum wieder als Vermögen zu prüfen sind. Zwar kann man darüber nachdenken, ob der Gesetzgeber das Problem von Forderungen gar nicht gesehen hat, wohl aber das Problem ererbter Immobilien. Dann bleibt aber immer noch das Problem der Forderungsrechtsprechung, die m.E. zu Unrecht vor der Antragstellung ererbte Forderungen beim Zufluss im Leistungszeitraum nicht als Vermögen, das schon in der Vermögensbilanz ein vorhandener Aktivwert war, behandelt, sondern als Einkommen. Diese Kritik gilt für alle vermögenswerten Ansprüche aufgrund Erbfalls. Das zeigt insbesondere der Vermächtnisanspruch.

[78] LSG NRW v. 28.3.2011 – Az.: L 19 AS 1845/10; LSG Berlin Brandenburg v. 16.11.2010 – Az.: L 18 AS 1826/08 – für einen Zufluss aus einem Vergleich aus einem Streit über das Pflichtteilsrecht; LSG Rheinland-Pfalz v. 28.8.2012 – L 6 AS 172/11 Rn 45 ff. unter Bezugnahme auf BSG v. 24.2.2011 – z.: B 14 AS 45/09 R Rn 23, SozR 4- 4200 § 11 Nr. 36.

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