Rz. 17

Nach bis zum 31.12.2022 geltenden Recht war der Kontrollbetreuer nicht "automatisch" auch zum Vollmachtswiderruf ermächtigt. Die Ermächtigung zum Vollmachtswiderruf stellt einen besonderen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar, der nur gerechtfertigt ist, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht.[39] Ein Betreuer konnte eine Vollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis[40] ausdrücklich zugewiesen war.[41] Da es sich bei einem Widerruf um eine einseitige Erklärung handelt, kann ein Widerruf nicht durch eine andere Person als den Vollmachtgeber rückgängig gemacht werden. Bei Geschäftsfähigkeit könnte er schließlich erneut eine Vollmacht errichten. Daher ist der Grundrechtseingriff durch eine entsprechende Betreuung "besonders weitreichend".[42] Zur Übertragung des Aufgabenkreises "Vollmachtswiderruf" waren daher tragfähige Feststellungen erforderlich, dass das Festhalten an der erteilten Vollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt.[43] Bei behebbaren Mängeln bei der Vollmachtsausübung erforderte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. So hatte dieser zunächst Auskunft und Rechnungslegung zu verlangen und bestehende Weisungsrechte auszuüben.[44] Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtswiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig.[45] Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dürfen keine milderen Mittel zur Abwehr eines Schadens zur Verfügung stehen.[46] Es muss ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegen.[47]

[39] Grüneberg/Götz, 81 Aufl. 2022, § 1896 a.F. Rn 23.; Staudinger/Bienwald, Neub. 2017, § 1896 a.F. Rn 325.
[40] Nach neuem Recht werden alle Aufgabenbereiche (nach altem Recht Aufgabenkreis) eines Betreuers als Aufgabenkreis bezeichnet (§ 1815 Abs. 1 BGB).
[43] BGH, Beschl. v. 6.7.2016 – XII ZB 61/16, ZErb 2016, 330, 334; vgl. Spernath, MittBayNot 2021, 425, 426.
[45] BGH, Beschl. v. 5.6.2019 – XII ZB 58/19, NJW-RR 2019, 1027 Rn 22; Staudinger/Bienwald, Neub. 2017, § 1896 a.F. Rn 321 ff.
[47] Nedden-Boeger, FamRZ 2014, 1589, 1592.

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