Rz. 73

Auf folgende Fälle aus der Judikatur ist besonders hinzuweisen:

 
(1) Die Pflicht des Anwalts, den nach den Umständen sichersten Weg zu wählen, um die Verjährung von Ansprüchen des Auftraggebers zu verhindern, soll den Mandanten auch davor schützen, in eine rechtlich oder tatsächlich zweifelhafte Lage zu geraten, in der er sich außerstande sieht, der vom Gegner zu Unrecht erhobenen Verjährungseinrede erfolgreich entgegenzutreten.[133]
(2) Wendet sich der Treuhänder von Geschäftsanteilen an den Anwalt mit der Bitte um Beratung, weil die Gesellschaft dringend finanzielle Mittel benötigt, die die Treugeber einzuschießen verpflichtet sind, jedoch freiwillig nicht leisten, und erklärt der Anwalt dem Mandanten infolge fehlerhafter rechtlicher Beratung, der Treuhandvertrag sei unwirksam und der Mandant deshalb auch wirtschaftlich Alleineigentümer der Anteile, so haftet der Anwalt für wirtschaftliche Nachteile, die dem Mandanten daraus entstanden sind, dass er infolge der Beratung selbst einen Kredit aufgenommen oder eine Bürgschaft erteilt hat.[134]
(3) Der Kläger und seine Schwester hatten den beklagten Anwalt in einer erbrechtlichen Auseinandersetzung mit der Schwägerin mandatiert. Infolge eines Anwaltsfehlers musste der Kläger wesentlich mehr zahlen, als bei sachgerechter Vertretung seiner Interessen notwendig gewesen wäre. Nunmehr machte die Schwester geltend, infolge der an die Schwägerin gezahlten Abfindung stehe auch ihr ein höherer Anspruch, als zunächst angenommen, zu. Selbst wenn dies zutreffen sollte, haftet der Anwalt insoweit nicht, weil seine Pflicht sich nur auf die Rechtsbeziehungen des Klägers zur Schwägerin erstreckte.[135]
(4) Der Mandant ist von einem Konkurrenzunternehmen abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert worden. Er bittet den Anwalt um Begutachtung der Aussichten eines Prozesses sowie der Höhe der dann entstehenden Kosten. Der Anwalt bewertet (zutreffend) die Rechtslage als unsicher und sieht den Prozess daher als risikoreich an. Dessen Kosten schätzt er auf höchstens 7.000,00 DM, obwohl er hätte erkennen können, dass der Aufwand möglicherweise 18.000,00 DM beträgt. Der Mandant entschließt sich zum Prozess, den er verliert. Er hätte die Unterlassungserklärung abgegeben, wenn er gewusst hätte, welche Kosten ihm drohen. Das OLG Karlsruhe hat in diesem Falle unter Berufung auf den Schutzzweck der verletzten Pflicht nur zur Zahlung der Differenz von 11.000,00 DM zwischen den tatsächlich entstandenen und den geschätzten Kosten verurteilt.[136] Das ist rechtlich nicht haltbar; denn auch die Verpflichtung, zutreffend über das Kostenrisiko aufzuklären, diente dazu, dem Mandanten die notwendige sachliche Grundlage für die Entscheidung zu geben, ob er sich überhaupt auf den Rechtsstreit einlassen wollte. Richtigerweise hätte der Klage daher i.H.d. Unterschiedes zwischen den Prozesskosten und den Aufwendungen bei sofortiger Unterwerfung stattgegeben werden müssen.
(5) Der Mandant beauftragte den Berater, ihn im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Hausgrundstücks steuerlich zu beraten. Obwohl die Beratung nicht sachgerecht war, gelang es dem Kläger, alle erstrebten Steuervorteile zu erzielen. Er verlangt jedoch Schadensersatz, weil sich die Investition aus anderen Gründen als nicht rentabel erwiesen hat. Dieser Anspruch ist selbst dann nicht begründet, wenn der Mandant bei vertragsgerechter Beratung im Steuerrecht das Haus nicht gekauft hätte; denn der Schutzzweck der Vertragspflicht des Beraters erstreckt sich nicht auf Nachteile seines Auftraggebers außerhalb des steuerlichen Bereichs.[137]
(6) Jedenfalls im Steuerrecht hat der Berater den Mandanten auch davor zu bewahren, bei Ausschöpfung der in Betracht kommenden Steuervorteile den zulässigen Rahmen zu überschreiten und sich dadurch steuerstrafrechtlicher Verfolgung auszusetzen. Wird der Berater seiner Aufgabe nicht gerecht, so hat er den dadurch verursachten Vermögensschaden zu ersetzen. Dieser liegt auch insoweit im Schutzbereich der dem Berater obliegenden Pflichten, als es sich um eine dem Steuerpflichtigen auferlegte Geldstrafe oder ein Bußgeld handelt, dessen Verhängung ein eigenes Verschulden des Steuerschuldners, nämlich leichtfertiges Verhalten (§ 378 Abs. 1 AO), voraussetzt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Mandant vorsätzlich gegen die Steuergesetze verstoßen hat.[138] Bleibt offen, ob der Mandant vorsätzlich oder nur leichtfertig gehandelt hat, geht dies zulasten des Beraters, weil es um eine Einschränkung des grds. zu bejahenden Schutzzwecks handelt.[139]
(7) Der Mandant erteilt seinem Anwalt den Treuhandauftrag, eine ihm übersandte Bürgschaft nur bei Vorliegen der im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen an den Gläubiger weiterzuleiten. Der Anwalt gibt die Bürgschaft jedoch vorzeitig heraus. In diesem Falle hat er den vollen, durch seine Pflichtwidrigkeit verursachten Schaden zu ersetzen. Eine Einschränkung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des mit der Treuhandauflage verfolgten Zwecks kommt nicht ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge