Rz. 81

Nicht selten wird von der Enterbung eines Minderjährigen abgesehen, weil der Erblasser befürchtet, seine Erben durch das Geltendmachen von Pflichtteilsansprüchen seitens des Minderjährigen mehr zu belasten als dadurch, dass der Minderjährige Miterbe wird. Denn der Pflichtteilsanspruch ist als Geldanspruch sofort fällig. Als Miterbe kann er von dem Rest der Miterben in der Erbengemeinschaft bei der Verwaltung des Nachlasses majorisiert werden (siehe Rdn 104 ff.). Sein gesetzlicher Vertreter fühlt sich eventuell dann auch nicht in solcher Konfrontationsstellung wie bei der Geltendmachung eines Pflichtteilsrechtes. Eine geschickte Testamentsgestaltung, z.B. durch Strafklauseln, verhindert Unsinnigkeiten des minderjährigen Erben; vielleicht vermag man auch durch Zuwendung besonderer Wohltaten ein sinnvolles Verhalten herbeizuführen. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Nachlassgerichts zu einer Stundung des Pflichtteilsanspruchs zu gelangen (§ 2331a BGB), ist öfter keine große Hilfe.

 

Rz. 82

Bedacht werden muss aber auch die Möglichkeit, dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen, insbesondere dem geschiedenen Ehegatten des Erblassers, der nach dem eigenen Tod alleiniger gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist (§ 1680 BGB), die Sorge für die Verwaltung des Pflichtteils zu entziehen.

 

Beispiel

Die Eltern sind geschieden; es gibt erhebliche Spannungen unter ihnen. Das Kind lebt bei der Mutter. Der Vater ist in zweiter Ehe verheiratet und hat aus dieser Ehe auch Kinder. Der Vater möchte sein Kind aus erster Ehe enterben, insbesondere auch, weil er vermeiden möchte, dass die Mutter des erstehelichen Kindes dieses in der Erbengemeinschaft, die aus seiner zweiten Ehefrau und den zweitehelichen Kindern gebildet wird, vertritt.

 

Rz. 83

Gem. § 1638 BGB kann der Erblasser bestimmen, dass der gesetzliche Vertreter des Kindes das Vermögen des Kindes, was dieses von Todes wegen erwirbt, nicht verwalten soll. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um einen Erbteil des Kindes, ein Vermächtnis oder um den Pflichtteilsanspruch handelt. Da es sich um eine familienrechtliche Anordnung handelt, und nicht um eine erbrechtliche, ist diese Anordnung gem. § 1638 BGB auch beim Pflichtteil möglich (siehe Rdn 148 ff.).[1]

 

Rz. 84

Die Entziehung der Vermögenssorge hinsichtlich des Pflichtteils beginnt mit dem Entstehen des Pflichtteilsanspruchs,[2] nicht erst mit der Bestellung eines Pflegers (§ 1909 BGB), der die Vermögensverwaltung für den Minderjährigen anstelle des gesetzlichen Vertreters bezüglich des Pflichtteils innehat (siehe Rdn 148). Dies ist anders als bei einem Vormund, dem die Vermögensverwaltung teilweise entzogen wird (§ 1794 BGB); der Vormund ist solange für die Verwaltung der Zuwendung zuständig, bis ein Pfleger bestellt ist.[3] Der Pflichtteilsanspruch entsteht kraft Gesetzes mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB), bzw. mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausschlagung gem. § 2306 BGB.[4] So liegt schon die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nicht in den Händen des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen. Sie liegt vielmehr in den Händen eines zu bestellenden Ergänzungspflegers/Vermögenspflegers gem. § 1909 Abs. 1 S. 2 BGB. Durch die Verfügung von Todes wegen – also nicht formlos – kann nicht nur gemäß § 1638 BGB dem gesetzlichen Vertreter die Verwaltung des Pflichtteils des Kindes entzogen werden, sondern es kann auch vom Testator eine bestimmte Person zum Pfleger berufen werden (§ 1917 Abs. 1 BGB). Es bietet sich an, auch Ersatzberufungen für den Fall vorzunehmen, dass der erstbenannte Pfleger wegfällt.

 

Rz. 85

Übergangen werden kann der vom Erblasser zum Vermögenspfleger (§ 1909 BGB) Berufene nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 1917, 1778 BGB. Die Berufung erübrigt sich also, wenn der Betreffende unter Betreuung steht oder geschäftsunfähig ist, wenn er an der Übernahme der Pflegschaft verhindert ist, sei es durch dauernde Abwesenheit, sei es durch mangelnde Sachkunde oder auch durch zu hohes Alter. Ferner kann der Berufene übergangen werden, wenn er die Übernahme des Amtes verzögert, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt. Den praktisch wichtigsten Grund, einen ausgewählten Pfleger zu übergehen, bildet die Gefährdung des Wohls des Minderjährigen (§§ 1915 Abs. 1, 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB), wobei streitig ist, ob dem Familiengericht ein Ermessensspielraum zusteht,[5] oder ob es sich beim Begriff "Wohl des Mündels" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt.[6] Schließlich ist der Berufene zu übergehen, wenn der Pflegling, der das 14. Lebensjahr vollendet hat und der nicht geschäftsunfähig ist, der Bestellung dieser Person zum Pfleger widerspricht (§§ 1915, 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB).[7] Dann hat das Familiengericht eine geeignete andere Person zum Vermögenspfleger zu bestellen,[8] wenn nicht der Erblasser eine oder mehrere Ersatzbenennungen vorgenommen hat. Bei einer nur vorübergehenden Verhinderung ist der Berufene auf seinen Antrag zum Pfleger zu bestellen, wenn das Hindernis weggefallen ist (§§ 1915, 17...

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