Rz. 104

Das Verfahren der Arbeitnehmermitbestimmung richtet sich bei einer Hereinverschmelzung gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 des deutschen Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) nach den deutschen Mitbestimmungsregelungen (Sitzstaatprinzip). Gemäß § 5 MgVG finden die in §§ 6 ff. MgVG normierten Regelungen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung Anwendung, wenn

Zitat

1. in den sechs Monaten vor der Veröffentlichung des Verschmelzungsplanes mindestens eine der beteiligten Gesellschaften durchschnittlich mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt und in dieser Gesellschaft ein System der Mitbestimmung besteht;
2.

das für die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer vorsieht, wie er in den jeweiligen an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften bestand; der Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer bemisst sich nach dem Anteil der Arbeitnehmervertreter

a) im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan,
b) in Ausschüssen, in denen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer erfolgt oder
c) im Leitungsgremium, das für die Ergebniseinheiten der Gesellschaften zuständig ist; oder
3. das für die aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht für Arbeitnehmer in Betrieben dieser Gesellschaft, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmung vorsieht, wie sie den Arbeitnehmern in demjenigen Mitgliedstaat gewährt werden, in dem die aus der grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat.[286]
 

Rz. 105

In den beiden letztgenannten Fällen finden die Vorschriften des MgVG nach mittlerweile vom EuGH bestätigter Auffassung[287] auch dann Anwendung, wenn die beteiligten Gesellschaften weniger als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Hierfür sprechen der Gesetzeswortlaut sowie die ausführliche Diskussion im Gesetzgebungsverfahren, die ein Redaktionsversehen ausschließen dürften (zur Parallelfrage bei Art. 133 Abs. 2 GesRL vgl. Rdn 34).[288]

 

Rz. 106

Der konkrete Inhalt der Arbeitnehmermitbestimmung wird sodann – wie bei der Herausverschmelzung – im Wesentlichen durch das zu bildende Besondere Verhandlungsgremium (BVG) bestimmt, welches durch die Arbeitnehmer(-vertretungen) nach entsprechender Aufforderung der Gesellschaften (§ 6 MgVG) gemäß den Vorgaben der §§ 7 ff. MgVG gebildet wird und die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Mitbestimmung führt. Nur subsidiär gilt das Mitbestimmungsrecht des Staates, dem die aus der Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft unterliegt (§ 18 Abs. 1 bzw. § 23 Abs. 1 Nr. 3 MgVG).[289]

[286] Noch nicht abschließend geklärt ist, ob § 5 Nr. 3 MgVG eine konkrete Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer voraussetzt (so die h.A., vgl. Müller-Bonanni/Müntefering, NJW 2009, 2347, 2349; dies., BB 2009, 1699, 1702; Nikoleyczik/Führ, DStR 2010, 1743, 1744 f.; Lunk/Hinrichs, NZA 2007, 773, 774) oder die abstrakte Gefahr einer Diskriminierung genügt (so Brandes, ZIP 2008, 2193, 2196).
[288] So etwa Müller-Bonnani/Müntefering, NJW 2009, 2347, 2349, auch zu den Gegenargumenten, sowie Nagel, NZG 2007, 57 f.; Nikoleyczik/Führ, DStR 2010, 1743, 1744; M. Winter, Der Konzern 2007, 24, 32; a.A. etwa Schubert, RdA 2007, 9, 10, 12; Lunk/Hinrichs, NZA 2007, 773, 774; Drinhausen/Keinath, AG 2010, 398, 403.
[289] Zu aktuellen Zweifelsfragen des Mitbestimmungsrechts siehe Müller-Bonnani/Müntefering, NJW 2009, 2347 ff. Zum Verfahren der Mitbestimmung nach dem MgVG allgemein siehe auch Limmer, Unternehmensumwandlung, Teil 6 Rn 148 ff.

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