Rz. 94

Innere Unruhen liegen vor, wenn zahlenmäßig nicht unerhebliche Teile des Volkes in einer die öffentliche Ruhe und Ordnung störenden Weise in Bewegung geraten und Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen verüben.[102]

Nach dem Sprachgebrauch gehören hierzu Aufruhr, Landfriedensbruch, Tumult, Plünderung und Aufstand.[103] Anders als Sabotageakte erfordern sie ein bis zu einem gewissen Grad öffentliches, provokatorisches Handeln. Es muss sich um Vorgänge handeln, die von der Mehrheit der Bürger als außergewöhnlich und als eine gewisse Gefahr für die staatliche Grundordnung empfunden werden. Martin[104] verweist als Beispiel auf Vorfälle im Jahre 1968. Allerdings ist ein einheitliches, überhaupt ein politisches Motiv des Handelns nicht erforderlich.[105]

 

Rz. 95

Die Zahl der Unruhestifter ist nur eines von vielen Kriterien. Daneben sind von Bedeutung

die Organisation der Teilnehmer,
gegebenenfalls die Bewaffnung der Teilnehmer,
die Dauer und die Intensität der Übergriffe und
die Beherrschbarkeit der Vorfälle durch die Polizei.[106]
 

Rz. 96

Für das Eingreifen des Ausschlusstatbestandes reichen Ausschreitungen einzelner im Rahmen einer erlaubten oder friedlichen Demonstration nicht aus.[107] Folglich wird in der Regel ein Streik, der sich in den Grenzen des verfassungsmäßig garantierten Streikrechts bewegt, nicht als innere Unruhe qualifiziert werden können.

 

Rz. 97

Auch der Ausschlusstatbestand der "inneren Unruhen" muss grundsätzlich in vollem Umfang vom Versicherer bewiesen werden. Allerdings sollen dem Versicherer Beweiserleichterungen in Form des Anscheinsbeweises je nach zeitlicher und örtlicher Nähe des Schadens zum Unruheherd zugutekommen.[108]

[102] Prölss/Martin/Armbrüster, § 2 AFB Rn 8; Martin, F I Rn 7 mit Verweis auf BGH VersR 1975, 126 u.a.
[103] Boldt, S. 102 "Innere Unruhen".
[104] A.a.O.
[105] Prölss/Martin/Armbrüster, § 2 AFB Rn 8.
[106] KG VersR 1975, 175, 420.
[107] Nikusch, NJW 1969, 20.
[108] Prölss/Martin/Armbrüster, § 2 AFB Rn 10.

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