Rz. 56

Deal-Structuring meint hier die Strukturierung sachgerechter Vereinbarungen und nicht einen Deal-Begriff in ehrenrührigem Sinne. Die Begriffe Deal-Making oder Deal-Structuring werden nach Rosner im Sinne der Techniken wertschöpfenden Verhandelns angewandt, wie sie im Kontext des Harvard-Ansatzes zur integrativen Verhandlungsführung entwickelt wurden.[45]

 

Rz. 57

Im Wesentlichen geht es um das Entwickeln von Optionen für gemeinsamen Gewinn und um das Vermeiden wertbegrenzender oder gar wertmindernder, also unökonomischer[46] und ineffektiver Verhandlungsfehler, wie das Feilschen um Positionen, das den Gegner – um jeden Preis – "besiegen wollen", die Vernachlässigung der Interessen der Parteien, den Einsatz von Manipulationstechniken und das unzureichende Ausloten von Kooperationschancen und Kooperationsgewinnen.[47]

 

Rz. 58

Die Hauptaufgabe der Verhandlungsführung liegt dabei im sogenannten Deal-Structuring, d.h. in der Strukturierung sachgerechter Abschlüsse zwischen den Verhandlungsparteien.

Nachstehende Hinweise sollen hierzu Orientierung geben:[48]

 

In 4 Schritten zum Deal

1.

Analysieren Sie die Interessenlage:

gemeinsame Interessen,
unterschiedliche Interessen.

Aktion: Heben Sie zu Beginn der Verhandlung die gemeinsamen Interessen hervor!

2.

Entkoppeln Sie die einzelnen Verhandlungsgegenstände und ermitteln Sie die relative Wichtigkeit für jeden Verhandlungspartner

Aktion: Entwickeln und testen Sie Hypothesen über mögliche Tauschgeschäfte (cross-issue trades)!

3.

Korrigieren Sie die beiderseitige Erwartungshaltung

Aktion: Untergraben Sie brüchige Positionen!

Aktion: Führen Sie realistische Szenarien ein!

4.

Schnüren Sie attraktive Pakete

Aktion: Bieten Sie mehrere Pakete an!

Aktion: "Was klingt für Sie interessanter, A oder B?"

 

Rz. 59

Genauso wichtig wie die Anwendung integrativer Verhandlungstechniken und die Strukturierung sachgerechter Vereinbarungen ist auch die Vermeidung typischer Verhandlungsfehler und gängiger Verhandlungsfallen. Auch die Frage, wie einer möglicherweise unfairen Verhandlungsführung des Gegners zu begegnen ist und wie man mit Emotionen in Verhandlung umgehen kann, ist im Vorfeld zu klären.

 

Rz. 60

Weitere Fallen für Entscheidungsfindung und Verhandlung stellen dar:[49]

das Entscheidungsproblem nicht genau zu erfassen;
sich die eigenen Ziele nicht ausreichend bewusst zu machen;
keine guten, kreativen Alternativen zu entwickeln;
entscheidende Konsequenzen der Optionen zu übersehen;
Unsicherheitsfaktoren zu wenig zu beachten;
sich über die eigene Risikobereitschaft nicht im Klaren zu sein.
 

Rz. 61

Wenn in der Vergangenheit belastende Emotionen wie Schuld, Empörung, Feindseligkeit oder Hass zwischen den Verhandlungs- oder Konfliktparteien entstanden sind, ist dies eine Hypothek für die Zukunft.[50]

 

Rz. 62

Haft macht deutlich, dass damit nicht das Ziel verfolgt wird, Emotionen als Störfaktoren einer rationalen Verhandlung zu diskreditieren und möglichst auszuschalten; es geht vielmehr darum, ein Gespür sowohl für das eigene Gefühlsleben als auch für das des Verhandlungspartners zu entwickeln, um drohende Ausbrüche zu erkennen und abzuwenden.[51]

 

Rz. 63

Es lässt sich in der Praxis vielmehr die Erfahrung machen, dass dort, wo die Beteiligten nicht dazu willens oder in der Lage sind, aus der Vergangenheit stammende Verletzungen und Beziehungsstörungen aufzuarbeiten, die Wahrscheinlichkeit einer tragfähigen Einigung deutlich geringer wird – oder die in der Verhandlung gefundene scheinbare sachliche Lösung dann spätestens in der Umsetzung scheitert, weil der Vertrauensverlust zwischen den Vertragsparteien oder andere hindernde Gefühlszustände nach wie vor wirksam sind.[52]

 

Rz. 64

Emotionales ist also in der Verhandlungsführung angemessen zu berücksichtigen.[53] Vor der Verhandlung ist zu prüfen, wie gut man die Gegenseite kennt. Hierzu nachstehender Fragenkatalog:

 

Wie gut kennen Sie die Gegenseite?

1. Haben Sie schon Vorerfahrungen mit der Gegenseite gesammelt?
2. Was können Sie in Erfahrung bringen?
3. Was sind die Interessen der Gegenseite und gibt es Bedeutungsunterschiede?
4. Gibt es geteilte Interessen und damit eine gemeinsame Basis für die Verhandlung?
5. Von welchen möglichen Ergebnissen würden beide Seiten profitieren?
6. Was sind erst einmal nur Vermutungen und wie können Sie Ihre Annahmen während der Verhandlung überprüfen?
[45] Rosner, S. 194.
[46] Haft, S. 24 ff.
[47] Rosner, S. 194.
[48] Rosner, S. 195.
[49] Rosner, S. 201.
[50] Rosner, S. 213.
[51] Haft, S. 70.
[52] Rosner, S. 213.
[53] Fisher/Shapiro, 2005.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge