Rz. 69

Der einzelne Miterbe kann nur die Leistung des Schuldners an alle Erben fordern (actio pro socio). Er kann daher insb. ohne Zustimmung der übrigen Miterben nicht etwa lediglich die Forderung in Höhe seiner eigenen Erbquote geltend machen (und Zahlung an sich verlangen). Dies wäre eine eigenmächtige und somit unzulässige Teilauseinandersetzung.

 

Rz. 70

Auch wenn neben dem fordernden Miterben lediglich noch ein weiterer Miterbe vorhanden ist, muss auf Leistung an die Erbengemeinschaft geklagt werden. Dies gilt auch dann, wenn Schuldner der andere Miterbe ist. Der Miterbe kann Leistung direkt an sich verlangen, wenn eine andere Forderung unstreitig nicht mehr besteht: Der fordernde Miterbe müsste dann den Anspruch um den Anteil des anderen Miterben (Schuldners) kürzen. Kann der Schuldner jedoch erfolgreich geltend machen, dass der Nachlass noch nicht teilungsreif ist (weil noch Nachlassverbindlichkeiten oder weitere Nachlassgegenstände vorhanden sind), wird die Klage zur unzulässigen Teilungsklage.

 

Rz. 71

Als "notwendiges Minus" zum Recht des einzelnen Miterben, die Leistung des Schuldners zu fordern, kann auch der einzelne Miterbe den Schuldner durch Mahnung in Verzug setzen. Die Realisierung der Forderung gegen den Schuldner durch Erklärung der Aufrechnung ist hingegen dem einzelnen Miterben versagt, da es sich hierbei um ein Gestaltungsrecht handelt, für das § 2038 BGB gilt.

 

Rz. 72

Nach § 2039 S. 2 BGB kann auch die Hinterlegung der zu leistenden Sache beansprucht werden. Der Anspruch auf Hinterlegung kann von jedem Miterben allein geltend gemacht werden. Die Hinterlegung richtet sich nach dem Hinterlegungsgesetz der Länder.[166] Der Hinterleger hat im Antrag die Tatsachen anzugeben, die eine Hinterlegung rechtfertigen.[167] Zur Hinterlegung werden wie bereits unter der Geltung der HintO "Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten" angenommen, vgl. z.B. § 6 BrbHintG. In Berlin wurde noch die Legaldefinition der "Geldhinterlegung" und der "Werthinterlegung" in das Gesetz mit aufgenommen, § 7 BerlHintG, ohne dass sich dadurch eine Erweiterung oder Einschränkung ergeben würde. Aus praktischen Erwägungen sollten "Kostbarkeiten" eher einem gerichtlich bestellten Verwahrer übergeben werden.[168] Der Verwahrer wird gem. §§ 410 Nr. 3, 411 Abs. 3 FamFG durch das Gericht an dem Ort bestimmt, in dessen Bezirk sich die zu verwahrende Sache befindet.

 

Rz. 73

Der Schuldner darf gegenüber der Nachlassforderung nicht mit Forderungen aufrechnen, die ihm nur gegen einen einzelnen Miterben zustehen, § 2040 Abs. 2 BGB. Dieses Aufrechnungsverbot folgt letztlich bereits aus § 387 BGB: Gläubiger der Forderung ist die Erbengemeinschaft als Gesamthand; die Erbengemeinschaft ist jedoch nicht gleichzeitig Schuldner der (aufzurechnenden) Gegenforderung. Somit besteht keine Gegenseitigkeit der Forderung und daher auch keine Aufrechnungslage. Würde abweichend von §§ 387, 2040 Abs. 2 BGB eine Aufrechnung in diesen Fällen zugelassen, so würde das Nachlassvermögen ohne Einflussmöglichkeit der übrigen Miterben und zum Nachteil der übrigen Nachlassgläubiger verringert werden. Nach einer Auffassung soll die Aufrechnung dann zulässig sein, wenn ein Nachlassschuldner eine Eigenforderung gegen alle Miterben als Gesamtschuldner hat. Zwar fehle es auch hier an der Gegenseitigkeit der Forderungen; da der Nachlassschuldner jedoch die Möglichkeit habe, alle Miterbenanteile pfänden zu lassen und die Auseinandersetzung ohne Mitwirkung aller Miterben durchzuführen, soll ihm dieser "Umweg" erspart werden, indem die Aufrechnung zugelassen wird.[169] Das Argument kann nicht überzeugen: Denn hierdurch werden die übrigen Nachlassgläubiger ohne erkennbaren Grund benachteiligt, die den – vermeintlichen – "Umweg gehen" müssen, sich einen Titel zu verschaffen und sich dann erst im Wege der Pfändung und Verwertung der Erbanteile befriedigen können.

 

Rz. 74

Dem Nachlassschuldner steht auch kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB zur Seite, da hier ebenfalls keine Gegenseitigkeit der Forderungen besteht.

[166] Übersicht bei BeckOGK/Rißmann/Szalai, § 2039 Rn 23.1.
[167] So z.B. gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 BrbHintG, § 9 Abs. 3 S. 1 BerlHintG; der Hinweis auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 2039 S. 2 BGB ist dringend zu empfehlen, um unnötige Rückfragen der Hinterlegungsstelle zu vermeiden.
[168] "Was man nicht hinterlegen kann/Das bringt man beim Verwahrer an", Cohn, Das neue deutsche bürgerliche Recht in Sprüchen, 1900, Band 4: Erbrecht, § 2039.
[169] MüKo/Gergen, § 2040 Rn 26.

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