Rz. 192

Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann nach § 256 Abs. 1 ZPO Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das Feststellungsinteresse ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schon dann gegeben, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet.[95] Bei Verkehrsunfallklagen, gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG, kommt es hinsichtlich des Feststellungsantrages nicht auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts weiterer, künftiger Schäden an.[96] Ein Feststellungsinteresse besteht ferner bei solchen Fallkonstellationen, dass zwar ein Vollstreckungstitel vorliegt, die Parteien aber über die Reichweite seiner – zu Zweifeln Anlass gebenden – Urteilsformel streiten.[97]

Aufgrund der Tatsache, dass das Vorliegen eines Feststellungsinteresses problematisch sein kann, sollte der Feststellungskläger prüfen, ob eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO in Betracht kommt. Voraussetzung ist zwar ebenfalls, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien besteht, welches zudem vorgreiflich sein muss. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung muss aber nicht vorliegen.[98]

 

Rz. 193

Der Antrag darauf, einen Anspruch durch ein Urteil feststellen zu lassen, ist meist problematisch, weil derartige Anträge grundsätzlich subsidiär (also nachrangig) gegenüber Leistungsklagen sind. Die Feststellungsklage ist aber dann nicht subsidiär, wenn die aufgetretenen Streitpunkte sinnvoll und sachgemäß erledigt werden können, mithin der Beklagte vor weiteren Prozessen geschützt wird, so beispielsweise wenn zu erwarten ist, dass sich der Beklagte dem Feststellungsurteil beugen wird. Davon ist auszugehen, wenn öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten oder Versicherungsunternehmen verklagt werden.

 

Rz. 194

Eine weitere Ausnahme besteht, wenn der Kläger künftigen Schadensersatz aus einer zuvor eingetretenen Rechtsgutverletzung, z.B. einer Körperverletzung, geltend machen will. Dann genügt, dass möglicherweise noch ein Schaden eintreten wird. Bei etwaig künftig noch entstehenden Schmerzensgeldansprüchen gilt dies selbst dann, wenn der Anspruch dem Grunde nach bereits für gerechtfertigt erklärt worden ist.

 

Beispiel:

Der Kläger will nicht nur materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall gegen eine Kfz-Haftpflichtversicherung einfordern, sondern zugleich klären lassen, dass diese ihm auch künftig alle Schäden materieller und immaterieller Art ersetzen muss, die eventuell noch auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sein werden. Der Antrag könnte dann beispielsweise so formuliert werden:

Zitat

[…] die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 1.500,00 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie
2. ein in das billige Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 9.000,00 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Unfall vom […] noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist oder noch übergeht.
 

Rz. 195

Der Kläger ist auch nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen lediglich einen Schadensteil in diesem Sinne dar.[99]

[96] BGH, Urt. v. 17.10.2017 – VI ZR 423/16, juris = NJW 2018, 1242–1248 (Leitsatz und Gründe).
[97] BGH, Urt. v. 13.7.2017 – I ZR 64/16, juris Rn 31 = NJW 2018, 235–238 (Leitsatz und Gründe).
[98] Schulz, Die Entwicklung des Zivilverfahrensrechts, BRAK-Mitteilungen 2018, 176 ff. (178).
[99] BGH, Urt. v. 19.4.2016 – VI ZR 506/14, juris Leitsatz = NJW-RR 2016, 759.

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