Rz. 255
Eine Urkunde im Sinne der Zivilprozessordnung ist die "schriftliche Verkörperung eines Gedankens". Nur eine echte und körperliche intakte Urkunde hat volle Beweiskraft dafür, dass der Aussteller die Erklärung abgegeben hat, welche in der Urkunde festgehalten ist (nicht, dass der Inhalt des Niedergeschriebenen tatsächlich zutrifft).
Rz. 256
Bei diesem Beweisantritt sollte die Urkunde rechtzeitig vor dem Termin mit einem Schriftsatz vorgelegt werden. Dabei ist nach § 137 Abs. 3 ZPO auf die Urkunde Bezug zu nehmen. Bei Konvoluten muss das Schriftstück nach Blättern oder Stellen bezeichnet werden, andernfalls würde es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handeln.
a) Förmlicher Beweisantritt
Rz. 257
Soll förmlich Beweis angetreten werden und nicht lediglich zur Information des Gerichts und des Prozessgegners ein Schriftstück – Kopie – überreicht werden, ist die Urkunde rechtzeitig vor dem Termin im Original mit einem Schriftsatz an das Gericht vorzulegen, denn der Beweisantritt beim Urkundenbeweis erfolgt dadurch, dass die Urkunde vorgelegt wird.
Rz. 258
Beispiel:
Zitat
Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 6.4.2020 hat der Kläger dem Beklagten die Pumpenanlage XYZ, Herstellungsnummer 154321 zum Preis von 5.500,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer verkauft. Den Kaufvertrag überreiche ich
anliegend
im Original für das Gericht und in Kopie für den Beklagten.
b) Zeitpunkt
Rz. 259
Nach Möglichkeit sollte die Urschrift nicht erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden: Der Gegner könnte dann vielleicht geltend machen, dass erst durch die Einsichtnahme des Originals neuer erheblicher Sachvortrag möglich wird (z.B. dass die Unterschrift nicht echt sei), so dass darüber ggf. Beweis durch Gutachten eines Schriftsachverständigen zu erheben wäre und sich das Verfahren zulasten der Partei verzögern würde, schlimmstenfalls verloren ginge.
c) Vorlage des Originals
Rz. 260
Das Original ist immer dann vorzulegen, wenn die Partei die Urkunde besitzt oder sie ohne gerichtliche Hilfe beschaffen kann. Eine beglaubigte oder einfache Abschrift oder Kopie würdigt das Gericht lediglich frei, also nicht als Beweismittel.
d) Beweiskraft elektronischer Dokumente
Rz. 261
Die Beweiskraft elektronischer Dokumente ist gesetzlich geregelt, § 371a Abs. 1 S. 1 ZPO: Danach sind private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, wie andere private Urkunden beweiskräftig. Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung, der sich aufgrund der Prüfung nach dem Signaturgesetz ergibt, kann nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung vom Signaturschlüssel-Inhaber abgegeben worden ist, § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO.
Rz. 262
§ 371b ZPO regelt die Beweiskraft eingescannter Urkunden. Demgemäß werden die Beweiskraftregelungen für öffentliche Urkunden auch auf die von öffentlichen Behörden und mit öffentlichem Glauben versehenen Personen eingescannten öffentlichen Urkunden erstreckt. Es gilt dann auch die Echtheitsvermutung, § 437 ZPO. Gescannte Privaturkunden werden von § 371b ZPO jedoch erfasst. Insoweit bleibt es bei demselben (verminderten) Beweiswert, den auch eine Papierkopie hat.
e) Keine Erforschung durch das Gericht
Rz. 263
Bei umfangreichen Dokumenten, z.B. einer Gewinnermittlung oder einem privat eingeholten Gutachten, darf nicht pauschal auf das gesamte Schriftwerk verwiesen werden. Damit würde man dem Gericht quasi "befehlen", sich die maßgebenden Stellen selbst herauszusuchen, was ein unzulässiger Ausforschungsbeweis wäre. Es müssen also die Seiten oder Stellen bezeichnet werden, aus denen sich der Beweis ergeben soll. Dies gilt auch für eine beantragte "Beiziehung einer Akte", die zu Beweiszwecken nur hinsichtlich konkret zu bezeichnender einzelner Urkunden zulässig wäre.
f) Zugriff auf die Urkunde
Rz. 264
Für die Fälle, dass der Beweisführer die Urkunde nicht im Besitz hat, sondern diese sich beim Gegner, einem Dritten oder einer öffentlichen Behörde befindet, sieht das Gesetz Möglichkeiten vor, die Vorlage der Urkunde dennoch zu erreichen. Hat eine Behörde die Urkunde in Besitz, z.B. eine Ermittlungsakte, wird der Beweis durch den Antrag angetreten, die Behörde oder den Beamten um die Mitteilung der Urkunde zu ersuchen.
Rz. 265
Befindet sich die Urkunde in den Händen des Gegners, so wird der Beweis durch den Antrag an das Gericht angetreten, dem Gegner die Vorlegung der Urkunde aufzugeben.
Rz. 266
Wenn sich der Prozessgegner schon selbst auf die Urkunde bezogen hatte, ist es aber praktikabler, das Gericht schlicht zu bitten, die Urkundenvorlegung anzuordnen, §§ 142, 143, 273 ZPO.
Rz. 267
Gibt ein Dritter die Urkunde nicht freiwillig heraus, kann der Beweisführer ihn auf Herausgabe verklagen.
g) Beweisvereitelung
Rz. 268
Gemäß § 444 ZPO können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden, wenn eine Urkunde von einer Partei in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht worden ist.
Rz. 269
Eine Partei vereitelt den Urkundenbeweis insbesondere dann, wenn der gemäß §§ 422, 423 ZPO zur Vorlag...
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