Rz. 241

Dieses Beweismittel müsste eigentlich "Wahrnehmungsbeweis" heißen, denn es umfasst, dass das Gericht zu seiner Überzeugung etwas durch seine unmittelbare Sinneswahrnehmung zur Kenntnis nehmen kann. Der zuständige Richter beurteilt die vorgefundenen Tatsachen. Diese unterliegen wiederum dessen freier Beweiswürdigung.

a) Beweisantritt

 

Rz. 242

Die Partei, welche sich diese Beweiserhebung wünscht, tritt den Beweis an, indem sie die zu beweisende Tatsache und den Gegenstand des Augenscheins bezeichnet, § 371 ZPO. Dies bedeutet, dass der Sachverhalt so genau zu schildern ist, dass das Gericht weiß, dass und über welche Tatsache eine Inaugenscheinnahme möglich ist. Ist Gegenstand des Beweises ein elektronisches Dokument, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Daten angetreten.

 

Rz. 243

Eine explizite Formulierung, dass der Augenscheinbeweis angetreten wird, ist hingegen nicht erforderlich.

 

Rz. 244

Den Beweis kann das Gericht gemäß §§ 144, 358a S. 2 Nr. 5 ZPO von Amts wegen erheben.

Interessant ist die BGH-Rechtsprechung zur Verwertung von Aufnahmen einer Dashcam. Die prozessuale Auswertung von derartigen Aufzeichnungen, die z.B. ein Unfallbeteiligter vom Unfallgeschehen gefertigt hat, ist als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess zulässig, auch wenn die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des BDSG nicht vereinbar ist.[122]

[122] BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 233/17, juris = NJW 2018, 2883–2891 (Leitsatz und Gründe).

b) Zugriff auf den Gegenstand des Beweises

 

Rz. 245

Problematisch ist die Beweisführung für die beweispflichtige Partei, wenn sich der maßgebende Gegenstand bei der anderen Partei oder bei einem Dritten befindet. Das Gesetz sieht hierfür aber Lösungsmöglichkeiten vor.

 

Rz. 246

Befindet sich die Sache bei einem Dritten, tritt der Beweisführer den Beweis außerdem mit dem Antrag an, zur Herbeischaffung des Gegenstandes eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 ZPO zu erlassen, § 371 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 247

Dies hat allerdings Grenzen. Weil Art. 13 GG die Unverletzlichkeit der Wohnung schützt, ist auch im Prozessrecht geregelt, dass ein Dritter die Inaugenscheinnahme seiner Wohnung verweigern darf. Ansonsten kann ein Dritter Unzumutbarkeit einwenden. Auch braucht er bei einer Inaugenscheinnahme nicht mitzuwirken, wenn er sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnte.

 

Rz. 248

Weigert sich die andere Prozesspartei, bei einer ihr zumutbaren Einnahme des Augenscheins mitzuwirken, könnte sich dies für sie nachteilig auswirken: Geht es um die Beschaffenheit einer Sache, ist bei einer Vereitelung durch den Gegner der eigene Vortrag bewiesen, § 371 Abs. 3 ZPO. Der Antrag sollte also stets gestellt werden.

 

Rz. 249

Streiten die Parteien um die Beschaffenheit einer beim Prozessgegner befindlichen Sache, ist immer zu beantragen, dass das Gericht diesem eine Frist setzt, innerhalb derer die Sache vorzulegen ist, zumal bei dessen Beweisvereitelung die eigenen Behauptungen bereits bewiesen sind.

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