aa) Gebührentatbestand

 

Rz. 23

§ 19 Nr. 2 RVG bestimmt zwar, dass außergerichtliche Verhandlungen zum Rechtszug gehören, d.h. durch die Verfahrensgebühr abgegolten sind. Der Tatbestand Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG ist aber eine Ausnahme von dieser Regel für den Fall, dass mündlich oder telefonisch verhandelt wird und unter der weiteren Voraussetzung, dass diese Besprechung zum Zweck der Erledigung oder Vermeidung des Verfahrens geführt wird. Auf diesen Gesprächsgegenstand ist der Gebührentatbestand eingegrenzt. Der Erfolg – tatsächliche Erledigung oder Vermeidung – gehört dagegen nicht zum Tatbestand. Wird nur über andere Themen, z.B. Über die örtliche Zuständigkeit, eine eventuelle Prorogation oder über die Frage, welche Zahlungen tatsächlich schon geleistet sind und auf welches Konto geleistet werden soll, gesprochen oder um eine Fristverlängerung gebeten, sind das keine Besprechungen, die diese Terminsgebühr auslösen. Nach der Neufassung des Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG steht fest, dass eine obligatorische mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

bb) "Mitwirkung" an solchen Besprechungen

 

Rz. 24

Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG verlangt die "Mitwirkung" an solchen Gesprächen. Es muss sich um eine mündliche Auseinandersetzung handeln (auch telefonisch[12]), wie das Wort Besprechung ergibt. Die Rechtsprechung hat die "Mitwirkung" weit ausgedehnt. Es genügt, dass der eine Anwalt das Gespräch aufnimmt und der andere sich darauf einlässt.[13] Der Austausch von Schriftsätzen oder Faxverkehr oder SMS reicht nicht aus.[14] Die Erwiderung, man werde die Vorschläge der Gegenseite mit dem Mandanten besprechen, ist bereits die "Mitwirkung" an einem Gespräch zur Vermeidung oder Erledigung des Rechtsstreits.[15] Noch weitergehend entschied das OLG Koblenz[16] folgenden Fall: Der Beklagtenvertreter ruft den Klägervertreter an, stellt Zahlung in Aussicht und bittet um Klagerücknahme. Wenn der Klägervertreter sich durch Zuhören auf das "Erledigungsgespräch" einlässt, ist bereits die Terminsgebühr angefallen.[17] Die Entgegennahme des Einigungsangebots zur Weiterleitung an den Mandanten reicht bereits aus.[18] Es genügt auch, wenn über die Rücknahme des Einspruchs gegen Bewilligung von Ratenzahlungen gesprochen wird.[19] Abzulehnen ist die Meinung des OLG Karlsruhe,[20] das verlangt, dass beide Seiten das Ziel der Erledigung verfolgen und davon ausgehen, dass das Gespräch möglicherweise für die Erledigung des Rechtsstreits entscheidend sein soll. Auch die vom Gericht in der gleichen Entscheidung ausgesprochene Ansicht, dass das Gespräch strukturiert sein muss, hat keine Grundlage im Gesetz.

Streitig ist, ob eine Nachfrage die Terminsgebühr auslöst. Das ist zu bejahen, wenn sich die Nachfrage auf die Vermeidung oder Erledigung bezieht.[21] Unstreitig dürfte sein, dass seine bloße Sachstandsanfrage, die Einholung von Informationen, die Bitte um Zustimmung zur Fristverlängerung, eine Anfrage ob auf einen Zeugen verzichtet werden kann, eine Terminsgebühr nicht entstehen lässt.[22]

[12] OLG Hamburg, Beschl. v. 25.10.2016 – 8W106/16, BeckRS 2016, 116423.
[13] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 174.
[14] BGH AGS 2009, 530; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV Vorb. 3 Rn 178; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, Vorb. 3 Rn 146.
[15] OLG Koblenz JurBüro 2005, 416: Es genügt, wenn Zahlung angekündigt und um Rücknahme der Klage gebeten wird; Hansens, JurBüro 2004, 243, 250: Es reicht, wenn der eine Anwalt spricht und der andere zuhört, große Anforderungen sind nicht zu stellen.
[16] OLG Koblenz FamRZ 2005, 1852 = AGS 2005, 278.
[17] OLG Koblenz FamRZ 2005, 1852 = AGS 2005, 278; Mayer/Kroiß/Mayer, VV Vorb. 3 Rn 42 ff. lässt jede über eine bloß passive Teilnahme hinausgehende Tätigkeit im Rahmen einer auf Vermeidung/Erledigung gerichteten Besprechung genügen, z.B. auch die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags als abwegig.
[18] BGH AGS 2010, 164; 2007, 129; a.A. OLG Köln AGS 2010, 9.
[19] OLG Koblenz JurBüro 2006, 191.
[20] OLG Karlsruhe LS RVGreport 2006, 61 [Hansens].
[21] A.A. OLG Köln RVGreport 2006, 63; OLG Nürnberg RVGreport 2006, 272; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV Vorb. 3 Rn 149 (bloße Sachstandsnachfrage reicht nicht); wie hier Hansens, RVGreport 2006, 241, 246.
[22] Jungbauer, FamRMandat-Abrechnung in Familiensachen, § 4 Rn 476.

cc) Gesprächspartner

 

Rz. 25

In Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG heißt es, dass Besprechungen mit dem Auftraggeber die Terminsgebühr nicht auslösen. Im Gegensatz zu dem früheren § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO fehlt der Begriff des "Dritten", der seinerzeit in der Auslegung so große Schwierigkeiten gemacht hat.[23] Dem Auftraggeber kann sicher sein gesetzlicher Vertreter, wohl auch noch sein gewillkürter Vertreter gleichgestellt werden. Beiden wird in der Literatur oft der sogenannte Erklärungsbote gleichgestellt. Mit dem Erklärungsboten wird allerdings kaum jemand über Erledigung oder Vermeidung eines Gerichtsverfahrens verhandeln.

Es ist aber m.E. fatal, dass die alten Streitigkeiten – "Lagertheorie" – "Informationsbeschaffungstheorie" nicht beseitigt sind, sie vielmehr in der h.M. unverändert weiter leben.[...

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