Rz. 32

In 1. Instanz haben alle Familienstreitsachen sowie alle Verbundsachen (auch FG-Verbundsachen) obligatorische mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 1 ZPO, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG; § 137 FamFG).

 

Rz. 33

Selbstständige FG-Sachen haben gem. § 32 Abs. 1 FamFG keine obligatorische mündliche Verhandlung. Es stellt sich die Frage, ob in den FG-Sachen des Familienrechts die Vorschrift, eine Erörterung "soll stattfinden" (z.B. §§ 155, 159, 160, 175, 205, 207 FamFG) ausreicht, daraus einen "obligatorischen" mündlichen Termin herzuleiten. Dies wird von der herrschenden Rspr. verneint.[39]

Gegen die Erweiterung der "vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung" auf selbstständige FG-Verfahren wird noch ein weiterer gewichtiger Einwand hervorgebracht:[40] In den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es streng genommen keine "mündliche Verhandlung", sondern nur eine "Erörterung". Es gäbe in diesen Verfahren kein Einverständnis der Beteiligten mit einer schriftlichen Entscheidung; der Gesetzeswortlaut sei eindeutig; in den Verfahren nach der Zivilprozessordnung sei Grundlage der Entscheidung, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, während bei FG-Sachen Grundlage der gesamte Akteninhalt ist.

Wenn dies richtig ist, kommt es auf die Frage, ob die Anordnung, dass eine mündliche Verhandlung "stattfinden soll", als obligatorische mündliche Verhandlung anzusehen ist, überhaupt nicht mehr an.

Die zitierten Ausführungen sind juristisch wohl zutreffend; auf der anderen Seite ist der Unterschied in der Praxis kaum zu rechtfertigen, weil der Ablauf der Verfahren eben keinen Unterschied zeigt und damit schwer einsehbar ist, warum in einem Fall die Gebühr anfällt und im anderen Fall nicht.

 

Rz. 34

Eine weitere Frage ist, ob eine Terminsgebühr ohne Termin entstehen kann, wenn in einem Verfahren die mündliche Verhandlung nur für bestimmte Verfahrensabschnitte vorgeschrieben ist. Gemeint sind die Eilverfahren, nämlich der Arrest (§§ 922, 924 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 119 FamFG) und vor allem im einstweiligen Anordnungsverfahren (§§ 51 Abs. 2 S. 2, 54 Abs. 2 FamFG). M.E. ist von dem Moment an, in dem der Anspruch auf mündliche Verhandlung entsteht und die Verhandlung beantragt wird, ein obligatorisches mündliches Verfahren gegeben. Wenn z.B. eine einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung erlassen wurde und der Antrag gem. § 54 Abs. 2 gestellt wird, ist von diesem Augenblick an möglich, dass die Parteien eine Einigung finden und das Verfahren beenden, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat – die Terminsgebühr ist m.E. angefallen.[41]

[39] Erörterungstermine/Anhörungstermine stehen der obligatorischen mündlichen Verhandlung i.S.d. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 nicht gleich. KG FamRZ 2013, 730; OLG Bremen FamRZ 2013, 487; OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 487; OLG Hamm AGS 2012, 562 = FamRZ 2013, 728; OLG Dresden AGS 2012, 459 = FamRZ 2013, 729; OLG München, AGS 2012, 134; OLG Jena AGS 2012, 131; OLG Celle AGS 2011, 223 und 590; a.A. OLG Stuttgart FamRZ 2011, 591; vgl. auch nachstehend Rdn 64.
[40] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3104 Rn 33 ff.; a.A. mit eingehender Begründung für die Terminsgebühr AnwK-RVG/Wahlen/Onderka/N. Schneider, VV 3104 Rn 21 ff.
[41] A.A.: OLG Köln BeckRS 2016, 20660; OLG München FamRZ 2006, 220.

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