Rz. 48

Nach § 387 BGB bewirkt die Aufrechnung die Tilgung wechselseitiger Forderungen und ist deshalb ein Erfüllungssurrogat. Die Wirkung der Aufrechnung tritt jedoch nur dann ein, wenn deren Voraussetzungen – Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit – im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen und der Aufrechnung keine gesetzlichen oder vertraglichen Aufrechnungsverbote entgegenstehen. Diese Möglichkeit zum Ausschluss der Aufrechnung durch vertragliche Vereinbarung stellt den Anknüpfungspunkt für den wirksamen Ausschluss der Aufrechnung durch die Vereinbarung eines formularmäßigen Aufrechnungsverbotes dar.

 

Rz. 49

Dies ist insbesondere bei der Verwendung von Handels- und Barzahlungsklauseln zu berücksichtigen, die einen besonderen Anwendungsfall des Aufrechnungsverbotes nach § 309 Nr. 3 BGB darstellen.[98]

 

Rz. 50

Nach § 309 Nr. 3 BGB ist eine Vertragsbedingung unwirksam, die dem Vertragspartner das Recht nimmt, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung nach den §§ 387 ff. BGB aufzurechnen. Zweck dieses Klauselverbots ist es, dem Vertragspartner ein Befriedigungsmittel im Rahmen der Vertragsabwicklung zu erhalten, dessen Durchsetzung aufgrund der Zustimmung des Verwenders oder aufgrund gerichtlicher Bestätigung gesichert ist.[99]

 

Rz. 51

Damit verhindert das Klauselverbot des § 309 Nr. 3 BGB nicht jeglichen Ausschluss der Aufrechnung, sondern nur die Fälle, in denen eine gerichtliche Klärung entweder schon stattgefunden hat oder aufgrund der Zustimmung des Verwenders überflüssig ist. Die Vorschrift erkennt das Interesse des Verwenders an, die Vertragsabwicklung von Verzögerungen durch (unberechtigte) rechtliche Auseinandersetzungen freizuhalten.[100]

 

Rz. 52

Eine unbestrittene Forderung liegt vor, wenn über ihren Grund und die Höhe zwischen den Parteien Einigkeit besteht.[101] Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine unbestrittene Forderung auch dann anzunehmen ist, wenn gegen sie unhaltbare oder unsubstantiierte Einwendungen vorgebracht werden.[102] Allerdings macht dies eine umfassende Auseinandersetzung mit der Substantiierung der Einwendung erforderlich, die dem Zweck des § 309 Nr. 3 BGB – das Freihalten der Vertragsabwicklung von Verzögerungen – in den meisten Fällen nicht gerecht werden dürfte. Ist die fehlende Substantiierung der Einwendung des Verwenders jedoch offensichtlich und damit leicht festzustellen, sprechen gute Gründe dafür, die Forderung trotz der Einwendung als unbestritten anzusehen. Der Verwender ist deshalb nicht berechtigt, in seinen AGB unbestrittene oder offensichtlich unsubstantiiert bestrittene Forderungen einem Aufrechnungsverbot zu unterlegen.

 

Rz. 53

Zudem wird die Auffassung vertreten, auch solche Forderungen seien nicht von einem Aufrechnungsverbot des Verwenders erfasst, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch ein Gericht verbindlich festgestellt und entscheidungsreif, aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind.[103] Dies begegnet jedoch deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die verbindliche Feststellung einer Forderung durch das Gericht eben erst dann feststeht, wenn über diese ein rechtskräftiges End- oder Zwischenurteil ergangen ist. Liegt jedoch ein rechtskräftiges Urteil vor, bedarf es der Ausdehnung des Tatbestandsmerkmals der "unbestrittenen Forderung" nicht.[104]

 

Rz. 54

Eine rechtskräftig festgestellte Forderung ist anzunehmen, wenn die gerichtliche Entscheidung in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen ist.[105]

 

Rz. 55

Von § 309 Nr. 3 BGB werden nicht nur die Fälle erfasst, in denen der Verwender die Aufrechnung durch den Vertragspartner ausdrücklich ausschließt, sondern auch die Fälle, in denen er seinem Vertragspartner mittelbar die Möglichkeit der Aufrechnung nimmt: Enthalten die AGB Bestimmungen, die die Leistung des Verwenders von einer vorhergehenden Zahlung durch den Vertragspartner abhängig machen (bspw. eine Nachnahmeklausel), so kann hierin ein mittelbarer Ausschluss der Möglichkeit zur Aufrechnung gesehen werden.[106] Ähnliches dürfte für Barzahlungsklauseln gelten.[107]

 

Rz. 56

Verhältnis zu anderen Vorschriften: Nach § 556b Abs. 2 BGB ist bei Mietverträgen über Wohnraum selbst ein individualvertragliches Aufrechnungsverbot für Forderungen des Mieters unwirksam, wenn der Mieter seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor der Fälligkeit der Miete in Textform angezeigt hat.[108]

 

Rz. 57

Für die Erschwernis einer Aufrechnung des Vertragspartners gilt nicht § 309 Nr. 3 BGB, sondern § 307 BGB. Danach ist die Erschwernis der Aufrechnung unwirksam, wenn sie die Interessen des Vertragspartners unangemessen vernachlässigt. Dies kann angenommen werden, wenn die Aufrechnung nur für vom Verwender anerkannte Forderungen oder für notariell beglaubigte Aufrechnungserklärungen gestattet wird.[109] Zudem wird eine unangemessene Benachteiligung und damit eine Unwirksamkeit des Aufrechnungsverbots nach § 307 BGB angenommen, wenn der Besteller durch das Verbot in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrags g...

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