Rz. 345
Leistungshindernisse aus der Sphäre des Vertragspartners sind grundsätzlich dazu geeignet, das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes zu begründen, da Pflichtverletzungen des Vertragspartners ohnehin in den wesentlichen Fällen ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB begründen. Insoweit kommt die gesetzliche Regelung der Begründung eines Lösungsrechts zugunsten des Verwenders entgegen, zumal das Rücktrittsrecht nach § 323 BGB nicht an ein Verschulden des Vertragspartners anknüpft.
Rz. 346
Allerdings setzt das Lösungsrecht des Verwenders in diesen Fällen voraus, dass die Pflichtverletzung des Vertragspartners erheblich ist und sich auf die Erbringung der vertraglichen Leistungspflichten auswirkt. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Leistung des Verwenders von einer Vorleistung des Vertragspartners abhängig ist oder dieser zur Vornahme einer Mitwirkungshandlung verpflichtet ist, die dieser nicht oder nicht vereinbarungsgemäß erbringt. Dagegen begründet der Verdacht einer Pflichtverletzung des Vertragspartners zumindest dann keinen sachlich gerechtfertigten Grund, wenn der Verdacht nicht auf begründete Anhaltspunkte zurückgeführt werden kann.
Rz. 347
Als Leistungshindernis aus der Sphäre des Vertragspartners sind häufig – gerade bei Versicherungs- oder Darlehensverträgen – fehlerhafte Angaben des Vertragspartners zu seiner Person, insbesondere soweit sie zur Einschätzung des Versicherungsrisikos oder der Kreditwürdigkeit herangezogen werden, anzusehen, es sei denn, es handelt sich um fehlerhafte Angaben von geringfügiger Bedeutung. Aber auch über den Bereich der Versicherungs- und Kreditwirtschaft hinaus sind Angaben des Vertragspartners zu seiner eigenen Leistungsfähigkeit immer dann geeignet, einen sachlich gerechtfertigten Grund auszumachen, wenn der Verwender zur Erbringung seiner vertraglichen Pflichten in Vorleistung gehen muss.
Rz. 348
Zudem kann ein Lösungsrecht gerechtfertigt sein, wenn der Vertragspartner offensichtlich nicht zur Erfüllung seiner Pflichten in der Lage sein wird, weil in diesen Fällen bereits vor der Fälligkeit der Leistung nach der gesetzlichen Regelung des § 323 Abs. 4 BGB ein Rücktrittsrecht zugunsten des Verwenders besteht. In den Fällen, in denen die AGB von der gesetzlichen Regelung zugunsten des Verwenders abweichen – und dies wird der Regelfall sein, da die reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts in AGB grundsätzlich keinen Sinn ergibt –, ist zu beachten, dass die Abweichung von der gesetzlichen Regelung durch Interessen des Verwenders gerechtfertigt sein muss, die denen des Vertragspartners zumindest gleichwertig sein müssen. Insoweit wird man jedenfalls eine konkrete Gefährdung der Vermögensinteressen des Verwenders fordern müssen, die durch belastbare Angaben und Nachweise belegbar ist und nicht auf bloßen Mutmaßungen beruht. Diesbezüglich trägt der Verwender, der sich auf das Lösungsrecht berufen möchte, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der sachlichen Rechtfertigung des Lösungsrechts und damit der Vermögensgefährdung.
Rz. 349
Umstände, die eine fehlende Leistungsfähigkeit des Vertragspartners begründen können, sind:
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Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, |
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Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (mit Ausnahme von Bagatellforderungen), |
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Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. dessen Ablehnung. |
Rz. 350
Beim Vorliegen derartiger Umstände verlangt die Rechtsprechung bislang nicht, dass der Ausnahmefall der fortbestehenden Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit des Vertragspartners ausdrücklich in die Klausel mit aufgenommen werden muss. Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob in den AGB auf die Gefährdung des Leistungsanspruchs des Verwenders ausdrücklich abgestellt werden muss. Sicherheitshalber sollte jedoch eine entsprechende Formulierung in die entsprechende Vertragsbedingung aufgenommen werden.
Rz. 351
Auch bei Pflichtverletzungen des Vertragspartners, durch die dieser gegen einen Eigentumsvorbehalt des Verwenders verstößt, ist regelmäßig ein sachlich gerechtfertigter Grund für ein Lösungsrecht zu bejahen. Denn dem Vertragspartner ist zumutbar, die Eigentumsverhältnisse Dritten gegenüber offenzulegen bzw. den Verwender über Beeinträchtigungen seines Vorbehaltseigentums, etwa durch Pfändungen oder Beschlagnahmen, rechtzeitig und umfassend zu informieren. Handelt es sich dagegen nur um eine geringfügige Pflichtverletzung des Vertragspartners ohne irreversible Konsequenzen für das Eigentum und/oder die Vermögensinteressen des Verwenders, so kann im Einzelfall ein Lösungsrecht zu weitgehend sein. Der Verwender sollte das Lösungsrecht daher auch bei der Beeinträchtigung seines Vorbehaltseigentums auf wesentliche und nachhaltige Verletzungshandlungen beschränken.
Rz. 352
Erhebliche inhaltliche Anforderungen an die Klauselgestaltung stellt die Rechtsprechung an Lösungsrechte des Verwenders, die deutlich von den gesetzlich geregelten Rücktrittsmöglichkei...