Rz. 38

Nach § 309 Nr. 2 BGB ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, durch die entweder das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (§ 309 Nr. 2 lit. a BGB) oder ein diesem zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (§ 309 Nr. 2 lit. b BGB).

 

Rz. 39

Die Vorschrift basiert auf der zutreffenden Annahme des Gesetzgebers, dass das Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB sowie das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB für einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Leistungsinteresse des Vertragspartners und dem Gegenleistungsinteresse des Verwenders sorgen soll und damit einen erheblichen Gerechtigkeitswert enthält, der der einseitigen Disposition des Verwenders entzogen werden muss.[79]

 

Rz. 40

Der Anwendungsbereich des § 309 Nr. 2 lit. a BGB setzt voraus, dass sämtliche Voraussetzungen des § 320 BGB (Einrede des nichterfüllten Vertrages) gegeben sind, und erstreckt sich deshalb sowohl auf die Fälle teilweiser oder vollständiger Nichterfüllung, nicht oder schlecht erbrachter Nacherfüllung (sowohl als Nachbesserung als auch als Nachlieferung) als auch der Abwicklung von Rückgewährschuldverhältnissen.[80] Eine Erweiterung des Anwendungsbereiches hat § 309 Nr. 2 lit. a BGB dadurch erfahren, dass aufgrund der Neukonzeption des Mängelrechtes durch die Schuldrechtsmodernisierung ein Mangel stets zu einem Nacherfüllungsanspruch führt, und bspw. dem Käufer deshalb bei mangelhaften Leistungen stets die Einrede des § 320 BGB zur Verfügung steht.[81] Dieses mangelbedingte Leistungsverweigerungsrecht kann der Verwender nicht ausschließen oder beschränken.

 

Rz. 41

Die Berufung auf ein Leistungsverweigerungsrecht ist dagegen ausgeschlossen, soweit der Vertragspartner vertraglich zur Vorleistung verpflichtet ist, da in diesem Fall der Anwendungsbereich des § 309 Nr. 2 BGB erst gar nicht eröffnet wird.[82] Allerdings sind vertragliche Leistungen grundsätzlich Zug-um-Zug abzuwickeln, weshalb die formularvertragsmäßige Begründung einer Vorleistungspflicht des Vertragspartners nur in den Fällen in Betracht kommen wird, in denen für die Vorleistungspflicht des Vertragspartners ein sachlicher Grund besteht und keine überwiegenden Belange des Vertragspartners entgegenstehen.[83] Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 2 BGB fällt eine Klausel, die lediglich geeignet ist, dem Vertragspartner ein Leistungsverweigerungsrecht zu nehmen, ohne dies tatsächlich zu tun.[84]

 

Rz. 42

Eine formularvertragliche Regelung kommt im Zusammenhang mit Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten des Vertragspartners deshalb grundsätzlich nur soweit in Betracht, als diese der Ausgestaltung und Konkretisierung der gesetzlichen Regelung dienen.[85] Die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten sind wegen der immensen Bedeutung dieser Rechte für die vertragliche Parität der Vertragsparteien sehr eng gezogen.

 

Rz. 43

§ 309 Nr. 2 lit. b BGB erfasst ausschließlich solche Zurückbehaltungsrechte, die auf demselben Vertragsverhältnis beruhen, unabhängig davon, ob es sich um einen Einzelvertrag, um ein Dauerschuldverhältnis oder einen Sukzessiv- oder Ratenlieferungsvertrag handelt.[86] Dagegen können Zurückbehaltungsrechte, die nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruhen, insbesondere aus früheren Geschäften, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden.[87]

 

Rz. 44

Im Arbeitsrecht folgt aus dieser Beschränkung, dass vertragliche Beziehungen, die nicht auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, nicht von § 309 Nr. 2 BGB erfasst werden. So kann der Arbeitgeber formularmäßig etwa Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechte ausschließen, die auf dem Schluss eines Kaufvertrages beruhen.[88] Dagegen kommt eine Ausschlussmöglichkeit für einen Mietvertrag über eine Werkswohnung nur dann in Betracht, wenn sie auf einem separaten Vertragsschluss beruht und nicht schon als Teil des Arbeitsvertrages zu betrachten ist.[89] Eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 2 BGB wird schon immer dann in Betracht kommen, wenn die Überlassung der Werkswohnung als Teil der Entlohnung des Arbeitnehmers anzusehen ist, etwa wenn die Höhe des Mietzinses unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.

 

Rz. 45

Bei Werkverträgen kann der Unternehmer die in § 632a BGB vorgesehenen Abschlagszahlungen grundsätzlich auch formularmäßig festlegen, allerdings darf hierdurch die gesetzlich vorgesehene Vorleistungspflicht des Unternehmers nicht vollständig abbedungen werden. Unwirksam sind auch unangemessen hohe Abschlagszahlungen zulasten des Vertragspartners sowie eine Verpflichtung des Vertragspartners zur Leistung von Abschlagszahlungen unabhängig vom Vorliegen etwaiger Mängel.[90]

 

Rz. 46

Zurückbehaltungsrechte, für die der Gesetzgeber eine Ausschlussmöglichkeit vorgesehen hat, können dagegen unproblematisch zum Gegenstand einer Allgemeinen Geschäftsbedingung gemacht werden. Insoweit kommt...

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