Rz. 465

Die Rechtsprechung hat verschiedene typische Anwendungsfälle des Transparenzgebotes entwickelt, die im Rahmen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB weiterhin Anwendung finden.

 

Rz. 466

Von der ersten Fallgruppe werden Konstellationen erfasst, bei denen der Text der Vertragsbedingung für den Vertragspartner unverständlich ist oder die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nicht hinreichend deutlich bezeichnet werden.[1040] Hierunter fallen auch Vorbehalte, die die gesetzliche Regelung in Bezug nehmen (sog. salvatorische Vorbehalte), wenn der durchschnittliche Vertragspartner seine Rechte und Pflichten nicht erkennen kann.[1041] So mangelt es etwa einer Klausel an Transparenz, wenn ein Kündigungsrecht des Verwenders an die Rentabilität[1042] oder ausreichende Einnahmen[1043] geknüpft wird oder schwer durchschaubare Berechnungsgrundlagen zugrunde gelegt werden.

 

Rz. 467

Eine weitere Fallgruppe fehlender Transparenz einer Allgemeinen Geschäftsbedingung kann sich aus ihrem Zusammenwirken mit anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder aus ihrer systematischen Stellung innerhalb des gesamten Vertrages ergeben.[1044] So kann bei Vertragsbedingungen mit vergleichbarem Regelungsinhalt zweifelhaft sein, welche Regelung welchen Regelungsbereich erfasst. Soll eine Allgemeine Geschäftsbedingung ersatzweise gelten, so ist nur dann von einer transparenten Regelung auszugehen, wenn klar ist, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Ersatzklausel eingreifen soll.

 

Rz. 468

Von fehlender Transparenz ist auch dann auszugehen, wenn eine für den Vertragspartner ungünstige Regelung durch den Verwender verschleiert oder versteckt wird.[1045] Ein Verstecken kann etwa dann angenommen werden, wenn eine Regelung systemwidrig in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen wird oder eine irreführende Überschrift erhält. Eine Verschleierung liegt bspw. vor, wenn dem Vertragspartner durch die Formulierung der Vertragsbedingungen eine Rechtsposition suggeriert wird, die er gerade nicht erhält.[1046] Gleiches gilt auch dann, wenn eine an sich harmlos wirkende Vertragsbedingung mit erheblichen rechtlichen Folgewirkungen verbunden ist, die der durchschnittliche Vertragspartner nicht erkennen kann.[1047]

 

Rz. 469

Das Transparenzgebot findet zudem Anwendung, wenn die tatsächliche Rechtslage irreführend dargestellt wird.[1048] Dies kann auf schlichter Unklarheit der Formulierung, auf der beabsichtigten oder unbeabsichtigten Suggestion einer falschen Rechtslage oder auf einer direkten Falschdarstellung der Rechtslage beruhen.[1049] In den beiden ersten Fällen besteht weitgehend Einigkeit über die Anwendung des Transparenzgebotes, da insoweit die Unklarheit und Unverständlichkeit der Vertragsbedingung im Vordergrund stehen. Bei der direkten Falschdarstellung wird dagegen teilweise befürwortet, diese nicht auf der Grundlage des Transparenzgebotes für unwirksam zu erklären, sondern sie aus sachlichen Gründen zu verwerfen. Dem ist zuzustimmen, weil dem Verwender deutlich gemacht werden muss, dass eine Nachbesserung im Hinblick auf die Klarheit und Verständlichkeit der Vertragsbedingung im Fall der direkten Falschdarstellung nicht zu ihrer Wirksamkeit führen kann.

 

Rz. 470

Schließlich ist als Fallgruppe fehlender Transparenz die Konstellation anerkannt, dass sich der Verwender eine weitgehende und nicht hinreichend konkretisierte Gestaltungsmöglichkeit vorbehält.[1050] Anknüpfungspunkt der fehlenden Transparenz ist dabei nicht der Wortlaut der Vertragsbedingung, sondern die mit ihr verknüpften Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Dadurch, dass der Vertragspartner nicht erkennen kann, welche konkreten Gestaltungsmöglichkeiten von der Vertragsbedingung erfasst werden, kann er davon abgehalten werden, sich gegen die Ausübung von unangemessenen Gestaltungsrechten durch den Verwender zu wehren.

[1040] BGH NJW 1991, 1750, 1753; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 253 f.
[1041] BGH NJW 1985, 623, 627; BGH NJW 1991, 2631, 2632; BGH NJW 1993, 1061, 1062; BGH NJW 1996, 1407, 1408; BGH, Beschl. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12; vgl. auch Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 264 ff.
[1042] BGH NJW 1983, 159, 161.
[1043] BGH NJW 1985, 53, 55.
[1044] BGH NJW 2001, 292, 299 f.; OLG Celle NJW 1989, 2267; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 254; NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 16.
[1045] BGH NJW 1993, 2052, 2054; BGH NJW 2001, 292, 299 f.; BGH NJW-RR 2005, 902; OLG Nürnberg NJW 1977, 1402; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 254; NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 16.
[1046] BGH NJW 2000, 658, 659; OLG Köln NJW 1994, 59, 60; OLG Jena OLG-NL 1995, 127.
[1047] BGH NJW 1991, 3025, 3027.
[1048] NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 16; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn 27; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 267 ff.; Heinrichs, NJW 1994, 1381, 1384.
[1049] NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 16, 19; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 267.
[1050] NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 16, 25; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 307 Rn 258; zur Kündigung: OLG Brandenburg NJW-RR 2003, 991.

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