Rz. 84

Nach § 309 Nr. 6 BGB sind Vertragsbedingungen unwirksam, durch die der Verwender dem Vertragspartner für die Fälle der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzuges oder der Lösung vom Vertrag eine Vertragsstrafe auferlegt, unabhängig davon, wie er die Vertragsstrafe bezeichnet.

 

Rz. 85

Diese Regelung des Gesetzgebers führt zwar nicht zu einer generellen Unwirksamkeit von Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.[186] Dennoch sind die von der Vorschrift erfassten Fälle so weitreichend, dass faktisch kaum noch Raum für eine sinnvolle Aufnahme einer Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber einem Verbraucher verbleibt.

 

Rz. 86

Der Grund für diesen weitgehenden Ausschluss liegt darin, dass Vertragsstrafen den Vertragspartner im Regelfall unangemessen benachteiligen und der Verwender durch die Möglichkeit einer Schadenspauschalierung nach § 309 Nr. 5 BGB hinreichend geschützt wird.[187] Vertragsstrafen führen demgegenüber dazu, dass der Vertragspartner durch den von der Strafe ausgehenden finanziellen Druck an der Ausübung der ihm zustehenden Rechte gehindert werden kann, was eine restriktive Handhabung dieser Gestaltungsmöglichkeit zumindest in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebietet. Darüber hinaus will die Vorschrift eine Bereicherung des Verwenders verhindern, die sich deshalb ergeben könnte, weil die Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht vom Eintritt wirtschaftlicher Nachteile beim Verwender abhängig sein muss.[188]

 

Rz. 87

Die Vorschrift erfasst alle Sanktionen, die die Erbringung einer Leistung oder die Verwirkung eines Rechtes vorsehen.[189] Hierunter fallen sowohl die unselbstständigen Vertragsstrafeversprechen der §§ 339 ff. BGB als auch das selbstständige Strafgedinge.[190]

 

Rz. 88

Dagegen ist die Anwendbarkeit der Vorschrift auf Verfallklauseln, Reuegelder, Garantieversprechen und Abstandssummen umstritten:[191]

Verfallklausel: Eine Verfallklausel ist darauf gerichtet, dem Vertragspartner bei einem bestimmten Verhalten ein Recht zu nehmen. Teilweise wird die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 6 BGB davon abhängig gemacht, ob der Vertragsbestimmung ein Strafcharakter entnommen werden kann.[192] Jedenfalls soweit der Rechtsverlust des Vertragspartners über die gesetzlich bestimmten Folgen seines Verhaltens hinausgeht, wird man einen Sanktionscharakter annehmen müssen, was für eine Anwendbarkeit des § 309 Nr. 6 BGB auf Verfallklauseln spricht.
Reuegeld: Ein Reuegeld liegt vor, wenn sich der Begünstigte durch eine Geldzahlung oder eine sonstige Leistung von seiner Leistungspflicht befreien kann. Damit ist das Reuegeld der Vertragsstrafe zwar ähnlich, unterscheidet sich jedoch maßgeblich dadurch, dass der Begünstigte im Regelfall frei entscheiden kann, ob er das Reuegeld zahlen oder die Leistung erbringen möchte. Dies spricht dafür, das Reuegeld nicht unter § 309 Nr. 6 BGB, sondern in den Anwendungsbereich des § 307 BGB zu verlagern.[193]
Abstandssumme: Wird der Vertragspartner durch AGB des Verwenders verpflichtet, an diesen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung eine Abstandsumme zu zahlen, können sowohl eine Schadenspauschalierung nach § 309 Nr. 5 BGB als auch eine Vertragsstrafe nach § 309 Nr. 6 BGB in Betracht kommen.[194] Entscheidend ist, ob sich die Abstandsumme der Höhe nach im Bereich der typischerweise mit der vorzeitigen Beendigung entstehenden Schadenspositionen bewegt (dann eher Pauschalierung) oder nicht (dann Vertragsstrafe). Zu beachten ist auch, dass der Verwender bei einem rechtmäßigen Verhalten des Vertragspartners mangels Verschulden keinen gesetzlichen Schadensersatzanspruch hat, so dass die Zahlung einer Abstandssumme bei rechtmäßigem Verhalten des Vertragspartners mangels pauschalierungsfähigen Schadens stets als Vertragsstrafe einzuordnen ist.[195]
[186] AG Mönchengladbach, Urt. v. 19.1.2013 – 36 C 352/12; NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 82; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33.
[187] MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rn 1 f.; NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 82; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33.
[188] BGH NJW 1966, 2008; MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rn 1; NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 82.
[189] MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rn 2; NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 82; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33.
[190] MüKo/Wurmnest, § 309 Nr. 6 Rn 5; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33; NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 84.
[191] Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33.
[192] NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 84; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn 17; a.A. BGH NJW-RR 1993, 464; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33, die für eine Anwendbarkeit des § 307 BGB plädieren.
[193] KG NJW-RR 1989, 1077; a.A.: NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 84; Palandt/Grüneberg, § 309 Rn 33; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 309 Nr. 6 Rn 20.
[194] NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 85.
[195] Im Ergebnis ähnlich: NK-BGB/Kollmann, § 309 Rn 85.

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