Rz. 348

Die mit dem AÜG-Änderungsgesetz 2017 erfolgten Änderungen beruhen auf Forderungen, insbesondere der Gewerkschaften, nach erweiterten Mitbestimmungsrechten zur Kontrolle und Beschränkung von Leiharbeit und Werkverträgen, bleiben allerdings erheblich hinter früheren Vorschlägen zurück. Insbesondere von der IG Metall erhobene Forderungen sahen neben einer Kodifikation bestehender Informations- und Unterrichtungspflichten der Arbeitgeberseite im Zusammenhang mit Fremdpersonaleinsätzen auch eine erhebliche Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmungsrechte bei Auslagerungen von Produktionsaufgaben an Dritte sowie die vollständige Erstreckung der Zuständigkeit des Betriebsrats des Entleih- bzw. Einsatzbetriebes auf externe Beschäftigte vor.[773]

 

Rz. 349

Diese Forderungen stießen im Bundesrat zunächst auf Unterstützung durch einige Bundesländer. Der durch den Bundesrat vorgelegte Gesetzesentwurf vom 20.9.2013 sah als Reaktion auf die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im Jahre 2011 erhebliche Veränderungen im AÜG sowie BetrVG vor, um die durch den Einsatz von Fremdpersonal vermeintlich entstandenen "nach sozialstaatlichen Maßstäben untragbaren und zum Teil sogar menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen" zu bekämpfen und trug deutlich die Handschrift der Gewerkschaften.[774] Unter anderem enthielt der Entwurf des Bundesrates gesetzliche Klarstellungen im BetrVG zu (bereits existierenden) Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Betriebsrats im Zusammenhang mit Fremdpersonaleinsätzen. Ferner griff er die Forderung nach einer Doppelzuständigkeit des Betriebsrats für Stamm- wie Leiharbeitnehmer auf und sprach sich für ein Recht des Betriebsrats zur Zustimmungsverweigerung bei der Besetzung von Arbeitsplätzen mit Werkvertragsbeschäftigten aus.[775] Neben Änderungen in den §§ 80, 87 und 92 BetrVG war auch die Schaffung eines neuen § 99a BetrVG vorgesehen, der ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einsatz von Fremdpersonal vorsah. Mit dem darin enthaltenen Zustimmungsverweigerungsrecht hätten Betriebsräte den Einsatz von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, beschränken und so den Einsatz flexibler Beschäftigungsformen deutlich erschweren können.[776] Entsprechende Überlegungen sind in der arbeitsrechtlichen Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen.[777]

 

Rz. 350

Auf Bundesebene stießen die Forderungen der Gewerkschaften dagegen auf geringe Akzeptanz. Zwar enthielt ein Antrag der SPD-Fraktion vom 19.2.2013 neben Forderungen nach einer Verschärfung des AÜG und der Sanktionierung verdeckter Leiharbeit auch die Forderung nach erweiterten Auskunfts- und Zustimmungsverweigerungsrechten bei Einsatz von Fremdpersonal, um das befürchtete Abschmelzen von Stammarbeitsplätzen zugunsten von Leiharbeitseinsätzen zu verhindern.[778] Demgegenüber fanden sich im Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode von CDU, CSU und SPD zwar Regelungsabsichten zu den Informations- und Unterrichtungsrechten des Betriebsrats bei Werkvertragsgestaltungen, nicht aber zu erweiterten Mitbestimmungsrechten bei der Leiharbeit wieder.[779]

 

Rz. 351

Mit Ausnahme der gesetzlichen Klarstellung von im Zusammenhang mit dem Fremdpersonaleinsatz im Prinzip bereits anerkannten Informationsrechten des Betriebsrates aus § 80 Abs. 2 BetrVG sowie § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG waren in dem vom BMAS vorgelegten Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 16.11.2015 keine der ursprünglichen Forderungen mehr enthalten.[780] Auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 2.6.2016 ging über die erklärte Absicht der Kodifizierung bestehender Informations- und Unterrichtungsrechte nicht hinaus.[781] Insbesondere wurde durch das AÜG-Änderungsgesetz keine inhaltliche Veränderung bei den Mitbestimmungsrechten oder bei der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem Betriebsrat des Verleihers und dem des Entleihers im Zusammenhang mit dem Leiharbeitseinsatz getroffen. Für letzteres ist weiterhin die – allerdings nicht abschließende und unverändert gebliebene – Regelung des § 14 AÜG sowie auch die Frage maßgeblich, welcher Arbeitgeber die ggf. mitbestimmungspflichtige Entscheidung zu treffen hat.[782]

[773] Vgl. das Positionspapier des DGB-Bundesvorstands, "Werkverträge – Missbrauch stoppen", von September 2015, 29 ff.
[774] BR-Drucks 687/13, 1 f.
[775] BR-Drucks 687/13, 2 ff.
[776] Siehe dazu u.a. Bauer/Klebe/Schunder, NZA 2013, 827, 829.
[777] Vgl. Bauer/Klebe/Schunder, NZA 2013, 827; Willemsen/Mehrens, NZA 2015, 897; Zimmermann, BB 2016, 53.
[778] BT-Drucks 17/12378, 4 ff.
[779] Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 17.12.2013, 49 f.
[780] Referentenentwurf vom 16.11.2015, 2 f., 10 ff.
[781] Vgl. BT-Drucks 18/9232.
[782] Siehe BAG v. 19.6.2001 – 1 ABR 43/00, NZA 2001, 1263; ErfK/Wank, § 14 AÜG Rn 17; Thüsing/Thüsing, § 14 AÜG Rn 104 f.

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