Rz. 55

Die neue Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG nimmt Personalüberlassungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der Geltung des AÜG aus, wenn diese Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwenden. Die Vorschrift betrifft damit sämtliche potenziell als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnenden Konstellationen des Drittpersonaleinsatzes von Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, die zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfolgen, sofern diese Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (insbesondere TVöD/TV-L) oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften anwenden.[122]

 

Praxishinweis

Die Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG findet Anwendung bei organisatorischen Änderungen innerhalb des öffentlichen Dienstes, in deren Folge Beschäftigte einem anderen öffentlich-rechtlich organisierten Aufgabenträger zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden sollen. Im Unterschied zu § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG greift die Vorschrift damit bei Privatisierungsfällen nicht ein.

 

Rz. 56

Schon aus dem Vergleich des Gesetzeswortlauts von § 1 Abs. 3 Nr. 2b und Nr. 2c AÜG wird deutlich, dass die letztgenannte Regelung keinen Zusammenhang des Drittpersonaleinsatzes mit einer Aufgabenverlagerung erfordert. Der mögliche Anwendungsbereich ist damit aufgrund der notwendigen Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts einerseits enger, andererseits aufgrund der im Übrigen – abgesehen von der Tarifanwendung – bestehenden Voraussetzungslosigkeit der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG denkbar weit. Nach der Gesetzesbegründung rechtfertigt sich dies u.a. durch den Umstand, dass durch die sowohl auf Entleiher- wie auch auf Verleiherseite vorausgesetzte Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts eine in besonderem Maße bestehende Bindung der Beteiligten an Recht und Gesetz gegeben ist, als auch aufgrund der ihnen zukommenden besonderen verfassungsrechtlichen Stellung.[123]

 

Beispiel

Aufgrund eines vorübergehend erhöhten Personalbedarfs werden Verwaltungsangestellte eines Landratsamtes für einige Monate zum nahegelegenen Jobcenter der Bundesagentur abgeordnet. Nach Ablauf der Frist kehren sie wieder an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurück. Da in dem Fall keine Aufgabenverlagerung vorliegt, ist die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG nicht einschlägig. Allerdings findet das AÜG aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG keine Anwendung.

 

Rz. 57

Wie auch die Gesetzesbegründung betont, ähnelt die Ausnahmeregelung in ihrer Funktion dem für die Privatwirtschaft zugänglichen Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG.[124] Letzteres hat neben der Konzernverbundenheit der beteiligten Unternehmen allerdings als zusätzliche Voraussetzung, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Diese Voraussetzung fehlt in § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG. Eine analoge Anwendbarkeit der Einschränkung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 AÜG erscheint fraglich, da sich der Gesetzgeber trotz der gesehenen Parallelen offenbar bewusst gegen eine Nachmodellierung dieser Regelung entschieden hat, was allerdings aus Gleichbehandlungserwägungen nahegelegen hätte.

 

Rz. 58

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG ist, dass beide an der Personalüberlassung beteiligten juristischen Personen des öffentlichen Rechts jeweils Tarifverträge des öffentlichen Dienstes bzw. Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts anwenden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in dem Falle Arbeitsbedingungen auf vergleichbarem Niveau gelten.[125] Hiermit würde es sich nicht vertragen, wenn auf Seiten eines beteiligten Arbeitgebers lediglich einzelne punktuelle Arbeitsbedingungen tariflich geregelt wären. Allerdings wird nicht vorausgesetzt, dass auf beiden Seiten der Arbeitnehmerüberlassung ein einheitliches Tarifwerk zur Anwendung kommt, so dass § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG auch beim Vorliegen jeweils unterschiedlicher "Tarifregime" des öffentlichen Dienstes zur Anwendung kommen kann.[126]

 

Rz. 59

Wie aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG, der lediglich von der Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bei den beteiligten öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern spricht, folgt, hängt die Geltung der Vorschrift nicht von der individuellen Tarifgebundenheit des überlassenen Arbeitnehmers an diese Tarifverträge ab. Auch eine vertragliche Inbezugnahme der bei dem Arbeitgeber angewendeten Tarifverträge, wie sie das Gesetz z.B. in § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG i.V.m. § 8 Abs. 2 AÜG kennt, wird hier nicht vorausgesetzt. § 1 Abs. 3 Nr. 2c AÜG dürfte damit auch im Falle der einseitigen Tarifbindung der an der Überlassung beteiligten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger in Betracht kommen, da die Vorschrift ihrem Wortlaut nach lediglich voraussetzt, dass die beiden Arbeitgeber entsprechende Tarifverträge "anwenden" und vor diesem Hintergrund ein zumindest vergleichbares Niveau an tariflich geregelten Arbeitsbedingungen auf bei...

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