Rz. 141

§ 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG sieht – anders als bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung – nicht vor, dass mit dem Überschreiten der Überlassungshöchstdauer auch der Überlassungsvertrag unwirksam wird. Eine Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags wegen eines Verstoßes gegen die Überlassungshöchstdauer käme daher nur dann in Betracht, wenn die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellen würden. Vor der gesetzlichen Neuregelung war umstritten, ob das vom BAG aus § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG hergeleitete Verbot der Dauerüberlassung (hierzu oben Rdn 68) ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellte, welches auch die Nichtigkeit des Überlassungsvertrags nach sich zog.[328] Mit der Regelung der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Überlassungshöchstdauer in § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG dürfte ein ergänzender Rückgriff auf § 134 BGB indes nicht mehr möglich sein.[329] § 9 AÜG enthält Sonderregeln, neben denen für die Anwendung des § 134 BGB kein Raum mehr ist.[330] Eine Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags ist auch nicht zum Schutz des Leiharbeitnehmers erforderlich. Seinem Interesse wird vielmehr bereits durch die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG Rechnung getragen.

 

Rz. 142

Bleibt der Überlassungsvertrag wirksam, stellt sich die Frage, wie sich der Verstoß gegen die Überlassungshöchstdauer auf die Vergütungsansprüche des Verleihers auswirkt. Insoweit spricht einiges dafür, dass der Entleiher für die Zeit nach Überschreiten der Überlassungshöchstdauer geleistete Überlassungsentgelte vom Verleiher nach §§ 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen kann. Mit dem Überschreiten der Überlassungshöchstdauer ist die Pflicht zur Fortführung der Überlassung des Leiharbeitnehmers rechtlich unmöglich geworden, sodass der Anspruch des Entleihers auf Zahlung des Überlassungsentgelts entfällt (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 S. 1 BGB). Hat der Verleiher Leistungen in Erfüllung des unwirksamen Leiharbeitsvertrags erbracht, kann er sie vom Entleiher zurückverlangen. Der Rückgriffsanspruch des Verleihers dürfte allerdings auf die tatsächlich geleisteten (vermeintlichen) Lohnzahlungen und gesetzlichen Abgaben beschränkt sein und nicht auch die Gewinnmarge erfassen.[331] Neben den vorgenannten Rückabwicklungsansprüchen können des Weiteren Schadensersatzansprüche bestehen, wenn eine Partei die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer zu vertreten hat und der anderen Partei hierdurch ein Schaden entsteht.

[328] Gegen Nichtigkeit: MüKo-BGB/Armbrüster, § 134 Rn 125; Lembke, NZA 2013, 1312, 1316; für Nichtigkeit: Hamann, RdA 2011, 322, 327.
[329] So auch Lembke, NZA 2017, 1, 6; Wank, RdA 2017, 100, 109; im Ergebnis auch BeckOK/Kock, § 9 AÜG Rn 42; ErfK/Wank/Roloff, § 9 AÜG Rn 14; a.A. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 Rn 108 ff.; Thüsing/Mengel, § 9 Rn 34d; Schaub/Koch, § 120 Rn 8.
[330] Erman/Arnold, § 134 BGB Rn 27.
[331] Die Rechtsgrundlage eines derartigen Rückforderungsanspruchs ist umstritten. Nach h.M. kann der Verleiher das gezahlte Entgelt nach Bereicherungsrecht vom Entleiher herausverlangen (BGH v. 17.2.2000 – III ZR 78/99, NJW 2000, 1557; vgl. auch Thüsing/Mengel, § 9 Rn 16 m.w.N.). Zum Teil wird Hinblick auf das faktische Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher auch ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen Verleiher und Entleiher nach § 426 Abs. 1 BGB angenommen (vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 Rn 61 ff.).

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