Rz. 140

Eine unterlassene Aufzeichnung einer dokumentationsbedürftigen Maßnahme lässt zunächst nur widerleglich vermuten, dass die Maßnahme nicht ergriffen wurde.[284] Die Rechtsprechung erkennt in dieser Situation eine grundsätzliche Beweislastumkehr auf der Kausalitätsebene nicht an. Betrifft ein Dokumentationsmangel einen Kontrollbefund, so gilt die für die unterlassene Erhebung von Kontrollbefunden entwickelte Rechtsprechung: Fehlt ein Befund, da er nicht dokumentiert wurde, und lässt sich dieser auch nicht durch andere Beweismittel beweisen, so muss ein positives Befundergebnis mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" festgestellt werden, das zu verkennen oder hierauf nicht zu reagieren fundamental fehlerhaft ist, mit den Anforderungen des § 286 ZPO also grob fehlerhaft sein muss, um eine Lücke auf der Kausalitätsebene zu schließen. Nur das, was diagnostisch und therapeutisch Bedeutung im arbeitsteiligen klinischen Betrieb haben kann, ist dokumentationspflichtig. Die Dokumentationsbedürftigkeit einer streitigen Maßnahme muss der Patient mit den Anforderungen des § 286 beweisen, wenn aus der fehlenden Notiz die Vermutung, dass die Maßnahme nicht getroffen worden ist, abgeleitet werden soll. Lücken in der Dokumentation sind kein grundsätzlicher Haftungsgrund an sich. Anderes gilt, wenn z.B. ein Nachbehandler auf der Grundlage unzureichender Dokumentation eine fehlerhafte, d.h. schädigende Therapie einleitet[285] oder wenn es an einer zur Sicherung der Verlaufsbeobachtung gebotenen Dokumentation fehlt.[286] Die Beweiserleichterung wegen eines Dokumentationsfehlers erstreckt sich mithin nicht über die unterbliebene dokumentierte Maßnahme hinaus.

[285] Vgl. statt vieler: Martis/Winkhart, D 433.
[286] OLG Stuttgart VersR 1997, 700.

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