Rz. 76

Eine weitere Möglichkeit ist die Anrufung der sog. Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen der Landesärztekammern. Die Gutachter- und Schlichtungsstellen sind ein Gremium aus medizinischen und juristischen Fachleuten in einem nicht justizförmigen Verfahren, nur ihrem Gewissen verpflichtet, d.h. nicht weisungsgebunden. Patientenorganisationen, Verbraucherschutzeinrichtungen, Krankenkassen oder Rentenversicherungsträger als involvierte Leistungsträger sind nicht vertreten. Es ist kein Schiedsverfahren (Kommission hat keine Befugnisse, eine verbindliche Entscheidung zu treffen): Aufgabe ist es, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erwirken. Der ordentliche Rechtsweg ist damit nicht ausgeschlossen. Die Beteiligten dieses Schlichtungsverfahrens unterwerfen sich freiwillig. Stimmt der Arzt nicht zu, gibt es kein Schlichtungsverfahren. Beteiligte können, je nach Statut, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, Ärzte und Krankenhausträger sein. Nicht beteiligt wird das nicht-ärztliche Personal wie z.B. Hebammen, Krankenschwestern, Anästhesiepfleger usw. Das Verfahren ist kostenfrei; die Kosten für die gutachterliche Überprüfung des Behandlungsgeschehens auf mögliche Behandlungsfehler übernimmt die Kommission.

Nicht alle medizinischen Sachverhalte eignen sich für ein Schlichtungsverfahren:

Geht es um die Frage einer Aufklärungspflichtverletzung, bei der im Rahmen einer streitigen Verhandlung durch entsprechend umfangreiche Beweisaufnahme und Anhörung einzelner Zeugen der Sachverhalt aufgeklärt werden muss, ist eine Aufklärung im Rahmen des verkürzten Schlichtungsverfahrens nicht sinnvoll. Die Frage, ob eine nicht ausreichend dokumentierte Aufklärung tatsächlich erfolgt ist, lässt sich letztlich nur durch Anhörung, Parteivernehmung etc. im Rahmen eines Zivilprozesses klären.

In den Fällen, in denen Krankenunterlagen lückenhaft, unvollständig usw. sind, macht es keinen Sinn, ein Schlichtungsverfahren anzustrengen: Die Gutachterkommissionen schließen solche Lücken gerne auf der Grundlage der ärztlichen Stellungnahmen. Aufklärungs- und Organisationsrügen sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisregeln bleiben häufig unberücksichtigt.[224]

[224] A.A. Neu, Das medizinische Gutachten im Arzthaftungsverfahren – Qualitätskriterien aus juristischer Sicht, Diss. 2014.

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