Rz. 58

Es gibt keine gesetzliche Regelung, wonach Bagatellverletzungen ohne Anspruch auf Schmerzensgeld bleiben. Das Gesetzgebungsvorhaben (Referentenentwurf, Begründung, S. 34), wonach der Betrag von 500 EUR als Erheblichkeitsschwelle definiert werden sollte, hat sich nicht in die Tat umsetzen lassen. Insoweit schließen selbst leichte Primärverletzungen ein Schmerzensgeld nicht grundsätzlich aus. Exemplarisch sei auf die Entscheidung des AG Lingen v. 28.11.1996 (zfs 1997, 172) hingewiesen. Der dortige Kläger erlitt zwei unfallbedingte Schürfwunden sowie eine 0,5 cm lange Schnittwunde, was ein Schmerzensgeld von 150 EUR gerechtfertigt hat.

 

Rz. 59

In der Regulierungspraxis findet sich oftmals das Argument der Bagatellverletzung im Zusammenhang mit leichten Fahrzeugkollisionen im fließenden Verkehr mit geringer Geschwindigkeit. Es muss jedoch eindringlich davor gewarnt werden, per se jeden Auffahrunfall mit geringer Aufprallgeschwindigkeit unter den Begriff der Bagatellverletzung zu subsumieren. Das OLG Frankfurt hat am 28.2.2008 (zfs 2008, 264) entschieden, dass eine Harmlosigkeitsgrenze bei einer zusammenstoßbedingten Geschwindigkeitsänderung von weniger als 10 km/h als solche nicht anerkannt werden kann. Dieses wird richtigerweise damit begründet, dass es bei der Prüfung der Kausalität des Zusammenstoßes für die Verletzung neben der Geschwindigkeitsänderung auch unter anderem auf die Sitzposition des Geschädigten ankommen kann. Weitere Parameter für die Beurteilung sind darüber hinaus die Überdeckungszeit beider Fahrzeuge neben dem Zustand des Sitzes, Muskelanspannungen und Kopfdrehungen. Zu Recht hat deshalb der BGH eine schematisch gezogene Harmlosigkeitsgrenze abgelehnt (BGH v. 28.1.2003, zfs 2003, 287). An dieser Rechtsprechung hat er in den Folgejahren festgehalten (BGH v. 3.6.2008, NZV 2008, 507 sowie BGH v. 8.7.2008, NZV 2008, 501).

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