Rz. 208

Aus Schadensminderungsgründen muss der Geschädigte die Haushaltsführung ggf. umorganisieren. Eine Umorganisation entfällt jedoch im 1-Personenhaushalt vollständig. Man kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass er statt Mineralwasser aus Flaschen (die er nun nicht mehr selbst tragen kann) jetzt Leitungswasser trinkt. Hier wäre die Schadensminderungspflicht überspannt. Umorganisationspotential im 1-Personenhaushalt besteht deshalb in der Regel nicht.

 

Rz. 209

Sich umzuorganisieren bedeutet im Mehrpersonenhaushalt, dass im Wege eines Tausches die bislang vom Geschädigten ausgeübte Haushaltsführung auf andere Familienmitglieder oder aber in der Zweiergemeinschaft auf den anderen Partner verlagert wird. Dabei übernimmt der Geschädigte im Gegenzug dann hauswirtschaftliche Anteile des Partners, die er mit seinen Verletzungen leisten kann. Keinesfalls bedeutet Umorganisation, dass der andere Partner bzw. die übrigen Familienmitglieder nun dasjenige an hauswirtschaftlicher Verrichtung noch zusätzlich übernehmen, das der Geschädigte nicht mehr leisten kann, ohne dass jenem von den Aufgaben der Haushaltsführung der übrigen etwas übertragen wird. Unter dem Stichwort der "Umorganisation" ist also genau zu prüfen, was im Sinne eines Tausches umorganisiert werden kann.

 

Rz. 210

Geringe Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung sind kompensationsfähig. Das bedeutet, haushaltsspezifische Einschränkungen unterhalb eines gewissen Prozentsatzes wirken sich im Haushalt unter Umständen kaum noch oder gar nicht mehr aus. Das kann sich zum einen auf den Dauerschaden, zum anderen auch bei zeitlich kurz befristeten Unfallfolgen in dieser Form darstellen. Die Rechtsprechung zu diesen Prozentsätzen ist uneinheitlich. Während das OLG Düsseldorf (DAR 1988, 24) und das OLG München (zfs 1994, 48) per se eine MdE von unter 10 % für kompensierbar halten, legen andere Gerichte die Messlatte einer MdE von bis zu 20 % an (OLG Nürnberg zfs 1983, 165; LG Augsburg zfs 1984, 266; KG Berlin zfs 2005, 183). Bemerkenswert ist die Entscheidung des OLG Rostock (zfs 2003, 233 ff.), wonach Beeinträchtigungen oberhalb von 10 % MdE nicht kompensationsfähig sind im Haushalt.

Meines Erachtens liegen bei Beeinträchtigungen, die eine MdE von 20 % rechtfertigen, recht handfeste, dauerhafte medizinische Beeinträchtigungen vor. Ob und inwieweit diese bei der Haushaltsführung kompensationsfähig sind, kann nur durch Einzelfallprüfung festgestellt werden. Bei Beeinträchtigungen von weniger als 10 % MdE spricht manches dafür, dass eher eine Kompensationsmöglichkeit in der Haushaltsführung denkbar ist, als bei einer MdE oberhalb von 10 %. Allerdings bedarf es meines Erachtens auch bei jedweder MdE von weniger als 10 % der individuellen Prüfung. Das ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die MdE eben gerade nicht identisch ist mit der MdH, sondern die MdH immer im Einzelfall zu bestimmen ist. So kann sich eine relativ geringe MdE von 10 % in ihren haushaltsspezifischen Beeinträchtigungen deutlich höher darstellen. Deshalb sollte eine pauschale Kompensationsgrenze, die an einen Prozentsatz der MdE angebunden ist, nicht statuiert werden. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, einen Schadensersatzanspruch selbst bei einer MdH von 10 % zu regulieren. Ein kleiner Haushaltsführungsschaden ist eben auch ein Haushaltsführungsschaden, sofern er nicht im Mehrpersonenhaushalt durch Tausch kompensiert werden kann. § 843 Abs. 1 BGB lässt daran auch keinen Zweifel aufkommen.

 

Rz. 211

Physische und psychische Beeinträchtigungen, die lediglich zeitlich befristet sind, erfordern ggf. den Aufschub einzelner Haushaltsführungstätigkeiten. Wer z.B. den Arm gebrochen hat, muss während des Genesungsverlaufs nicht zwingend die Fenster putzen und die Gardinen waschen. Diese Tätigkeit ist bis zur Ausheilung der Verletzung in einigen Wochen durchaus aufschiebbar. Das allerdings sagt nichts über den Haushaltsführungsschaden im Übrigen aus. Beeinträchtigungen in den übrigen Bereichen der Haushaltsführung lösen deshalb möglicherweise trotzdem einen Schadensersatzanspruch aus.

 

Rz. 212

Jemand verrichtet überobligatorisch Haushaltsführungstätigkeiten, wenn er zu diesen aufgrund des bestehenden Verletzungsbildes nicht verpflichtet ist. Der überobligatorische Einsatz in der Haushaltsführung könnte die Vermutung nahelegen, dass ein Haushaltsführungsschaden in diesem Bereich dann doch nicht besteht. Dieser überobligatorische Einsatz entlastet jedoch den Schädiger nicht. Es ist in diesen Fällen eine Gratwanderung festzustellen, ob der Geschädigte nicht doch etwas leistet, wozu er trotz seiner Verletzungen im Stande ist (weshalb kein Schadensersatzanspruch besteht), oder ob er Haushaltsführung z.B. unter Schmerzen verrichtet, weil er selbst lieber unter Schmerzen arbeitet, als jemand anderen zu bitten, ihm behilflich zu sein. Letztlich hilft der überobligatorische Einsatz niemandem, weil am Ende durch diese Mehrbelastung das ohnehin schon vorhandene Schadensbild sich eher noch vergrößern kann. Da...

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