Rz. 71

Es liegt in der Natur der Sache, dass Haftpflichtversicherer erhebliche eigene wirtschaftliche Interessen (oder diejenigen ihrer Anteilseigner) verfolgen und deshalb gerade bei der Bevorschussung des Schmerzensgeldes nicht gerade mit vorauseilendem Gehorsam auffallen. Wenn es also um die Bevorschussung von Schmerzensgeld geht, dann sollte eine dezidierte Forderung anhand der zunächst feststehenden Ausgangsverletzungen unter Inbezugnahme auf die eine oder andere passende ähnliche Fallkonstellation mit Hilfe der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Wellner/Häcker ermittelt werden. Hierbei sollte so konkret wie möglich gearbeitet werden, um dem Versicherer die Notwendigkeit des geltend gemachten Vorschusses in der geltend gemachten Höhe vor Augen zu führen.

 

Rz. 72

Eine unzureichende oder unterbliebene Vorschusszahlung auf das Schmerzensgeld rechtfertigt in jedem Falle die Erhöhung des im Übrigen angemessenen Schmerzensgeldes. Umfassende Rechtsprechungsnachweise zu den unterschiedlichen prozentualen Erhöhungstatbeständen bei Regulierungsverzögerung finden sich bei Hacks/Wellner/Häcker (Schmerzensgeldbeträge 2014, S. 18).

 

Rz. 73

Um einen Zinsanspruch auf das Schmerzensgeld geltend machen zu können, ist es erforderlich, den Vorschuss in der oben beschriebenen Art und Weise (unter Vorlage eines aussagefähigen Arztberichtes sowie Hinweis auf in Parallelfällen ausgeurteilte Schmerzensgeldbeträge) unter Fristsetzung anzufordern. Da der Schmerzensgeldanspruch mit dem Schadensereignis entsteht, fallen Zinsen erst ab Verzug an (BGH NJW 1965, 1374).

 

Praxistipp

Bei der außergerichtlichen Regulierung von Schmerzensgeld und vorangegangenem zögerlichen Regulierungsverhalten lassen sich Haftpflichtversicherer nur sehr ungern aus kosmetischen Gründen auf die Zahlung eines Verzugszinses ein, obgleich dessen Voraussetzungen objektiv vorliegen. Oftmals wird der Geschädigtenvertreter in diesem Zusammenhang auf den Rechtsweg verwiesen. Taktisch kann an dieser Stelle auch so verfahren werden, dass das Schmerzensgeld moderat um den Zinsanspruch (5 Prozentpunkte Verzugszins über dem Basiszinssatz seit Verzug) erhöht wird, ohne einen Betrag als Zinsschaden gesondert auszuweisen. Damit ist dann optisch der Zinsanspruch geglättet und der Geschädigte erhält gleichwohl das, was ihm zusteht.

 

Praxistipp

An dieser Stelle sei noch auf eine wenig bekannte Regelung in § 3a Pflichtversicherungsgesetz hingewiesen. Danach muss der Versicherer unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten, bei unstreitiger Eintrittspflicht auf die Schadensbezifferung ein Angebot vorlegen. Unterbleibt dies, entsteht ein Zinsanspruch – alleine durch Zeitablauf – nach § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

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