Rz. 59

Schließlich kann sich ein Erstattungspflichtiger auch dann auf die Anrechnung berufen, wenn gleichzeitig zwei Gebühren gegen ihn geltend gemacht werden, die aufeinander anzurechnen sind.

 

Rz. 60

Dabei ist erforderlich, dass beide Gebühren entweder im Erkenntnisverfahren oder beide Gebühren im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Es reicht nicht aus, dass eine Gebühr im Erkenntnisverfahren und die andere im Festsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Vielmehr müssen beide Gebühren im Erkenntnisverfahren oder beide im Festsetzungsverfahren geltend gemacht werden.

 

Rz. 61

Zeitgleiche Geltendmachung im Erkenntnisverfahren kommt vor, wenn die Kosten eines vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens nebst vorausgegangener Geschäftsgebühr geltend gemacht werden.

 

Beispiel 34: Zeitgleiches Geltendmachen, Erkenntnisverfahren

Der Kläger hatte zur Feststellung von Mietmängeln (Wert: 8.000,00 EUR) zunächst ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet. Nach Abschluss des Beweisverfahrens werden die Mängel beseitigt. Der Kläger klagt nunmehr als Schadensersatz die Kosten des Beweisverfahrens sowie die dazu gehörige vorgerichtliche 1,3-Geschäftsgebühr ein.

Auch jetzt muss der Kläger die Anrechnung gegen sich gelten lassen; er kann insgesamt nur verlangen:

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR
II. Beweisverfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 326,30 EUR
  0,65 aus 8.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3100 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 948,70 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   180,25 EUR
Gesamt   1.128,95 EUR
 

Rz. 62

Ein zeitgleiches Geltendmachen im Kostenfestsetzungsverfahren kommt insbesondere in Verwaltungs- oder Sozialsachen vor, da hier die Geschäftsgebühr eines Vorverfahrens festsetzbar ist.

 

Beispiel 35: Zeitgleiches Geltendmachen, Kostenfestsetzungsverfahren (verwaltungsgerichtliches Verfahren)

Der Kläger beauftragt seinen Anwalt im Verwaltungsverfahren (Wert: 8.000,00 EUR), im anschließenden Widerspruchsverfahren und im nachfolgenden Rechtsstreit vor dem VG. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Widerspruchsverfahrens werden der beklagten Behörde auferlegt.

Die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren (Nr. 2300 VV) ist nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind dagegen die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens (Nr. 2300 VV) und die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits (Nr. 3100 VV). Während der Kläger im Nachprüfungsverfahren die Anrechnung der vorangegangenen Geschäftsgebühr nicht gegen sich gelten lassen muss, ist die Geschäftsgebühr des Nachprüfungsverfahrens im Rechtsstreit anzurechnen, da sie zeitgleich geltend gemacht wird. Der Kläger kann – ausgehend jeweils von der Mittelgebühr – insgesamt zur Festsetzung anmelden:

 
I. Widerspruchsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   753,00 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 773,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   146,87 EUR
Gesamt   919,87 EUR
II. Gerichtliches Verfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 376,50 EUR
  0,75 aus 8.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 898,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   170,72 EUR
Gesamt   1.069,22 EUR
Gesamt I. + II.   1.989,09 EUR
 

Rz. 63

 

Beispiel 36: Zeitgleiches Geltendmachen, Kostenfestsetzungsverfahren (sozialgerichtliches Verfahren)

Der Kläger beauftragt seinen Anwalt im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren, im anschließenden Widerspruchsverfahren und im nachfolgenden Rechtsstreit vor dem SG. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Widerspruchsverfahrens werden der beklagten Behörde auferlegt. Die Sache war vorgerichtlich und gerichtlich umfangreich und schwierig.

Die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren (Nr. 2302 Nr. 1 VV) ist nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind dagegen die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens (Nr. 2302 Nr. 1 VV) und die Gebühren des Rechtsstreits (Nr. 3102 VV). Während der Kläger im Nachprüfungsverfahren die Anrechnung der vorangegangenen Geschäftsgebühr nicht gegen sich gelten lassen muss, ist die Geschäftsgebühr des Nachprüfungsverfahrens im Rechtsstreit anzurechnen, da sie zeitgleich geltend gemacht wird. Der Kläger kann – ausgehend jeweils von der Mittelgebühr – insgesamt zur Festsetzung anmelden:

 
I. Widerspruchsverfahren    
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV   414,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 434,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteu...

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