Rz. 34

Neu gefasst wurden auch die einzelnen Maßnahmenstufen, die bei Erreichen der jeweiligen Punkte durchzuführen sind. Wesentlich ist insoweit, dass keine der Maßnahmenstufen übersprungen werden soll. Im Zentrum der Reformüberlegungen stand die Hoffnung, auf das Verhalten des Betroffenen einwirken zu können.

1. Erreichen von 4–5 Punkten

 

Rz. 35

Sind vier oder fünf Punkte erreicht, wird der Fahrerlaubnisinhaber schriftlich ermahnt. Mit diesem schriftlichen Hinweis über die Funktionsweise des Bewertungssystems soll auf eine Verhaltensänderung des Verwarnten hingewirkt werden. Die Ermahnung begründet für den Betroffenen keine belastenden Pflichten und kann daher auch nicht angegriffen werden.

2. Erreichen von 6–7 Punkten

 

Rz. 36

Auch beim Erreichen von sechs oder sieben Punkten soll – nochmals – auf den Betroffenen mit dem Ziel einer Verhaltensänderung eingewirkt werden. Der Fahrerlaubnisinhaber ist schriftlich zu verwarnen und darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird.

3. Erreichen von 8 Punkten

 

Rz. 37

Mit Eintritt der Rechtskraft durch Verwirkung des achten Punkts erfolgt die Entziehung der Fahrerlaubnis. Bei Erlass des Entziehungsbescheids hat die Fahrerlaubnisbehörde den vom KBA mitgeteilten Punktestand auf seine Richtigkeit zu überprüfen, weil das KBA keine verbindlichen Punktekonten führt.[14]

 

Rz. 38

Zu beachten ist ferner:

Eine auf Punktabzug gerichtete Verpflichtungsklage ist nicht zulässig. Über eine Reduzierung der Punkte gem. § 4 Abs. 5 StVG ist nämlich nicht durch gesonderten Verwaltungsakt zu entscheiden, sie ist vielmehr inzident bei der Berechnung des Punktestandes im Rahmen einer Entscheidung nach dem Punktesystem gem. § 4 Abs. 3 StVG vorzunehmen. Deshalb wäre eine Leistungs- oder eine Feststellungsklage ebenfalls unzulässig.[15]
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts galt bislang schon das "Tattagprinzip". Dieses Prinzip ist nunmehr ausdrücklich in § 4 Abs. 5 S. 3 StVG in das Gesetz übernommen worden.
Das Ausstellungsdatum der Bescheinigung über die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ist maßgeblich.
Gemäß § 4 Abs. 10 S. 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde erst frühestens sechs Monate nach einer wirksamen Fahrerlaubnisentziehung eine neue Fahrerlaubnis erteilen. Diese Frist beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins bei der Behörde.
[14] VGH BW, Urt. v. 9.1.2007 – 10 S 396/06 = zfs 2007, 417.
[15] VGH BW, Urt. v. 9.1.2007 – 10 S 396/06 = zfs 2007, 417; BVerwG, Beschl. v. 15.12.2006 – 3 B 49/06 = DAR 2007, 344.

4. Tilgung

 

Rz. 39

In der anwaltlichen Praxis stellen Mandanten immer wieder die Frage, ob die jeweiligen Eintragungen im FAER nicht schon längst "gelöscht" seien.

 

Rz. 40

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Punkte im FAER können gelöscht werden. So werden etwa nach Entzug der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG die Punkte für die vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen gelöscht. Nicht gelöscht werden jedoch die der Punktebewertung zugrunde liegenden Verstöße. Diese Eintragungen werden erst nach Maßgabe von § 29 StVG getilgt. Eine davon wieder zu unterscheidende Frage ist, ob solche Eintragungen dann als Grundlage von Maßnahmen nach dem Punktesystem in Betracht kommen.[16] § 29 StVG knüpft die Tilgung von Eintragungen im FAER an den Ablauf bestimmter Fristen. Sinn dieser Tilgungsfristenreglung ist es sicherzustellen, dass diese Eintragungen nicht mehr im Rahmen erneuter Verkehrsverstöße verwertet werden können, vgl. § 29 Abs. 8 S. 1 StVG. Wenn wir nun also die häufig gestellte Frage von Mandanten nach der "Löschung" der Punkte beantworten, dann sprechen wir regelmäßig gerade nicht über das Löschen, sondern über die Tilgung der Eintragungen im FAER.

 

Rz. 41

Die Tilgungsfrist beginnt jetzt für alle bußgeld- und strafrechtlichen Entscheidungen einheitlich mit der Rechtskraft der Entscheidung (§ 29 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 3 StVG).

 

Rz. 42

Auf den Tattag kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weshalb es auch unbeachtlich ist, wenn eine Eintragung erst mit großem zeitlichen Abstand zum Tattag erfolgt ist, zumal ein durch Rechtsbehelfe verzögerter Rechtskrafteintritt grundsätzlich in die Risikosphäre des Betroffenen fällt.

Selbst eine dem Gericht zuzurechnende Verfahrensverzögerung gibt jedenfalls dann noch keinen Anlass, eine fiktive Vorverlagerung des Anlaufs der Tilgungsfrist zu erwägen, wenn das Verfahren nicht mehr als zwei Jahre gedauert hat.[17]

 

Rz. 43

Für den Lauf der Tilgungsfrist von Aufbauseminaren nach § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StVG, einer psychologischen Beratung nach § 2a Abs. 2 Nr. 2 StVG oder Fahreignungsseminaren nach § 4 Abs. 7 StVG kommt es dagegen allein auf den Tag der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung an.

[16] Vgl. dazu nur Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004, § 4 Anm. 14, die das im Ergebnis verneinen.
[17] VGH BW, Beschl. v. 10.5.2011 – 10 S 137/11 = NZV 2011, 465.

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