Rz. 1

Versperrt ein Fahrzeug auf privatem Grund einem Berechtigten die Zufahrt oder Ausfahrt oder hindert es ihn an der Nutzung seines Parkplatzes, kann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der polizeilichen Generalklausel vorliegen, die ein behördlich veranlasstes Abschleppen rechtfertigen kann.

 

Rz. 2

Als betroffene Schutzgüter i.S.d. öffentlichen Sicherheit kommen dabei

der Schutz von Individualrechtsgütern/privaten Rechten sowie
der Schutz der objektiven Rechtsordnung

in Betracht, wobei beim hier betroffenen Schutzgut "private Rechte" (Beeinträchtigung von Eigentum und Besitz durch unberechtigtes Parken) das Subsidiaritätsprinzip zu beachten ist.

Danach obliegt der Schutz privater Rechte nach den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder durch die Polizei nur dann, wenn

gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und
ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde.
 

Rz. 3

Zu dem hier benannten rechtzeitig zu erlangenden "gerichtlichen Schutz" gehört auch der Eilrechtsschutz. Dieser muss dann aber auch tatsächlich zu erlangen sein. (Einstweiliger) Rechtsschutz ist durch die ordentlichen Gerichte aber z.B. an einem Sonntagmorgen um 4.00 Uhr nicht zu erlangen. Zu einem solchen Zeitpunkt wird ein durch ein anderes Fahrzeug blockierter Kraftfahrer ohne polizeiliche Hilfe nicht mit seinem Fahrzeug wegfahren können.[1]

 

Rz. 4

Da die polizeiliche Generalklausel in den Länderpolizei- und Ordnungsgesetzen im Rahmen des Schutzgutes "öffentliche Sicherheit" neben dem Schutz privater Rechte auch den Schutz der objektiven Rechtsordnung vorsieht, ist unabhängig vom Schutzgut "privater Rechte" und dem damit verbundenen polizeirechtlichen Subsidiaritätsprinzip ein Abschleppen grundsätzlich dann möglich, wenn gleichzeitig ein Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung erfolgt, der auch noch andauert.[2] Die im Fall dann einschlägige und zu schützende Norm des objektiven Rechts muss dann aber gerade auch für das Abstellen des Fahrzeugs auf privatem Grund gelten.

So gilt z.B. für das Parken auf privaten, dem Verkehr nicht gewidmeten Flächen § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO nicht.[3] Hier kann grundsätzlich nur nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips zum Schutze privater Rechte abgeschleppt werden. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO zwingt den zugeparkten Grundstückseigentümer aber nicht, seine Rechte ausschließlich privatrechtlich zu verfolgen; die Norm hat zumindest auch individualrechtsschützenden Charakter und liegt nicht ausschließlich im öffentlichen Interesse. Der Grundstückseigentümer hat gegenüber der Behörde im Regelfall zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Einschreiten (Ausnahme: Fall der Ermessensreduzierung auf Null). Ihm steht allerdings ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Werden Abschleppmaßnahmen zur Räumung von privaten Grundstücksein- und -ausfahrten verlangt, darf die behördliche Praxis in solchen Fällen das Abschleppen demnach nicht generell und pauschal verweigern. Es bedarf einer exakten Einzelfallprüfung.[4]

Insgesamt lässt sich feststellen, dass dann, wenn die Einfahrt auf ein privates Grundstück nicht möglich ist, weil ein anderes Fahrzeug unter Verstoß gegen § 12 Abs. 3 StVO abgestellt wurde, das so abgestellte Fahrzeug abgeschleppt werden kann, wenn im Übrigen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet wird.[5]

 

Rz. 5

Aus Gründen wirksamer polizeilicher Gefahrenabwehr ist eine tragfähige Grundlage für ein Einschreiten aufgrund des Schutzgutes "obiektive Rechtsordnung" dann gegeben, wenn nach den zum Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens bekannten Umständen der objektive Tatbestand einer Nötigung erfüllt ist und diese Umstände keinen Anhalt für ein sozial unschädliches und damit nicht verwerfliches Verhalten des Störers bieten, mithin der begründete Verdacht verwerflichen Handelns i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB besteht. In einem solchen Fall greift das Subsidiaritätsprinzip des Polizeirechts (vgl. § 1 Abs. 2 ME PolG, § 1 Abs. 3 SPolG) nicht, da das Abschleppen wegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form einer weiterhin bestehenden Gefahr der objektiven Rechtsordnung möglich ist.[6] Liegt aber eine derartige Gefahr für die objektive Rechtsordnung nicht vor, so ist der Behörde nur nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ein Eingreifen möglich.

[1] OVG RP NJW 1988, 929.
[2] Haus/Wohlfarth, Rn 178 ff.
[3] VG Stuttgart DAR 1999, 282.
[4] Vgl. auch Stollenwerk, Muss der Grundstückseigentümer seine Ausfahrt selbst vor Falschparkern schützen?, DAR 2010, 666.
[5] OVG RP zfs 1999, 363.
[6] OVG Saarland zfs 1993, 250 = NJW 1994, 878, dazu Gornig, JuS 1995, 208; vgl. aber noch VG Saarland NZV 1991, 47; VG Saarland zfs 2000, 275.

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