Rz. 7

Sowohl beim Abschleppen als auch beim späteren Abschleppkostenbescheid[9] richtet sich die Frage des "richtigen Adressaten" nach den allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Regeln über den Störer (Verhaltensstörer, Zustandsstörer, Nichtstörer: vgl. §§ 4 bis 6 Musterentwurf PolizeiG; §§ 6, 7, 9 PolG BW, Art. 7, 8, 10 BayPAG; §§ 13, 14, 16 ASOG Bln; §§ 5 bis 7 BbgPolG; §§ 5 bis 7 BremPolG; §§ 8 bis 10 HambSOG; §§ 6, 7, 9 HessSOG; §§ 68, 69, 70, 71 SOG M-V; §§ 6 bis 8 NdsSOG; §§ 17 bis 19 NRW OBG, §§ 4 bis 6 NRW PolG; §§ 4, 5, 7 Rheinl.-Pf. POG; §§ 4 bis 6 SPolG; §§ 7, 8, 10 SOG LSA; §§ 4, 5, 7 SächsPolG; §§ 218 bis 220 Schlesw.-Holst LVwG; §§ 7, 8, 10 ThürPAG).[10]

[9] HambOVG zfs 2009, 533, 536 f.
[10] Dazu allg.: Haurand/Vahle, Die Verantwortlichkeit im Polizei- und Ordnungsrecht, DVP 2016, 362–372.

1. Verhaltensstörer

 

Rz. 8

Das verbotswidrige Abstellen eines Fahrzeugs ist dem Fahrer als Verhaltensstörer zuzurechnen, da er die Gefahr auch verursacht hat. Da Verschuldensfragen und Fragen des übergesetzlichen und rechtfertigenden Notstandes im Polizei- und Ordnungsrecht – anders als im Ordnungswidrigkeiten- oder im Strafrecht – grundsätzlich keine Rolle spielen, ist der Fahrer z.B. auch dann als Verhaltensstörer anzusehen, wenn das verbotswidrige Abstellen eines Pkws zur ärztlichen Versorgung eines schwerwiegend Verletzten erfolgt ist.[11]

 

Rz. 9

Zum Verhaltensstörer kann man auch durch Unterlassen werden. So ist dann, wenn der Halter eines Kfz entgegen § 13 Abs. 4 FZV (§ 27 Abs. 3 S. 1 StVZO alte Fassung) die Veräußerung seines Fahrzeugs nicht unter entsprechenden Angaben der Zulassungsstelle meldet, dieser bei Kausalität später unter dem Gesichtspunkt der Verhaltensverantwortlichkeit zur Entfernung des straßenrechtswidrig abgestellten Fahrzeugs verpflichtet.[12] Der Fahrzeugveräußerer, der seiner aus § 13 Abs. 4 FZV (§ 27 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 StVZO alt) ableitbaren Pflicht zuwiderhandelt, kann ordnungsrechtlich als Verursacher auf Erstattung der Abschlepp- und Verwahrungskosten in Anspruch genommen werden.[13]

 

Rz. 10

Nach einem Verkehrsunfall auf der Autobahn darf die Polizei den Unfallverursacher als Verhaltensstörer zur Beauftragung eines Abschleppdienstes auffordern, obwohl auch der Eigentümer/Halter des Kfz, der das Fahrzeug zuvor mit defekten Reifen übergeben hatte, die für den Unfall mitursächlich waren, in Betracht kam.[14]

[11] VG Saarland, Urt. v. 17.3.1992 – 5 K 60/91; vgl. auch VG Saarland zfs 2000, 88.
[12] VGH BW zfs 1996, 237; OVG NRW zfs 2003, 478 = VRS 104, 318 = DAR 2003, 137 = VerkMitt. 2003, 69; HambOVG NJW 2000, 2600; a.A. HessVGH DÖV 1999, 918, 919 unter Hinweis auf SächsOVG NJW 1997, 2253. Vgl. dazu insgesamt auch (unter Auseinandersetzung mit der Rspr.) Heßler, Grenzen der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit beim Abschleppen entsorgter Altfahrzeuge, VR 2004, 1 ff.; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, § 13 FZV Rn 14 m.w.N.
[13] OVG NRW zfs 2003, 478 = VRS 104, 318 = DAR 2003, 137 = VerkMitt. 2003, 69; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, § 13 FZV Rn 14.
[14] Vgl. VG Saarland, Urt. v. 4.7.1995 – 5 K 237/94, vgl. auch BayVGH NVwZ 1984, 385; OVG Saarland, Urt. v. 7.12.1988 – 1 R 171/87.

2. Zustandsstörer

 

Rz. 11

Der Inhaber der tatsächlichen Gewalt sowie der Eigentümer oder sonst Berechtigte eines Fahrzeugs kann unter dem Gesichtspunkt der Zustandsstörerschaft (z.B. § 5 MEPolG) herangezogen werden. Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist, wer auf die Sache beliebig einwirken und über sie tatsächlich verfügen kann; auf eine entsprechende rechtliche Befugnis kommt es nicht an.[15]

 

Rz. 12

Auch der Halter eines Kfz ist Zustandsstörer. Straßenverkehrsrechtlich ist Halter derjenige, der tatsächlich über die Fahrzeugbenutzung als Gefahrenquelle verfügen kann. Polizeirechtlich ist der Halter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt deshalb neben dem Eigentümer als Zustandsstörer anzusehen, weil er über die Teilnahme eines Fahrzeugs am Verkehr entscheidet und damit eine polizeiliche Gefahrenquelle eröffnet.[16] Der letzteingetragene Kfz-Halter und frühere Eigentümer kann als Zustandsstörer für die Abschleppkosten seines früheren Fahrzeugs herangezogen werden. Insofern besteht eine Verantwortlichkeit des letzten Halters für ein im öffentlichen Verkehrsraum entsorgtes Kfz (vgl. §§ 13, 14 FZV).[17]

 

Rz. 13

Handelt der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ohne den Willen des Eigentümers oder Berechtigten, so sieht § 5 Abs. 2 S. 2 ME PolG vor, dass Maßnahmen gegen den Eigentümer oder sonst Berechtigten nicht gerichtet werden können. Diese Regel befreit den Eigentümer von seiner Zustandshaftung aus Gründen der tatsächlichen Unmöglichkeit, da er hier auf die eigene Sache nicht einzuwirken kann.[18]

 

Rz. 14

Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Fahrzeug gestohlen wurde. Entledigt sich der Dieb später des Fahrzeugs und stellt es verbotswidrig ab, so ist die Einwirkung des Eigentümers nach Aufgabe der Sachherrschaft durch den Dieb allerdings wieder möglich. Er soll dann auch wieder zu den Abschleppkosten herangezogen werden können, da die Haftung wieder auflebe.[1...

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