Rz. 1267

Nach § 111 S. 3 BetrVG gelten als "Betriebsänderungen":

die Stilllegung des ganzen Betriebs,
die Einschränkung des ganzen Betriebs,
die Stilllegung von wesentlichen Betriebsteilen,
die Einschränkung von wesentlichen Betriebsteilen,
die Verlegung des ganzen Betriebs,
die Verlegung von wesentlichen Betriebsteilen,
der Zusammenschluss des Betriebes mit anderen Betrieben,
die Spaltung eines Betriebs,
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation,
grundlegende Änderungen des Betriebszwecks,
grundlegende Änderungen der Betriebsanlagen,
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden,
Einführung grundlegend neuer Fertigungsverfahren.

aa) Wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer

 

Rz. 1268

Liegen diese Voraussetzungen vor, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob derartige Änderungen zu wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können. Der Begriff "gelten" beinhaltet solche Betriebsänderungen, die derartige Nachteile nach sich ziehen können. Er fingiert derartige Nachteile; ob sie tatsächlich entstehen und wie sie ausgeglichen werden können, ist i.R.d. Abschlusses des Sozialplans zu prüfen und zu entscheiden. Für die Frage, ob eine Betriebsänderung vorliegt, kommt es hierauf dann nicht an, wenn ein Katalogtatbestand des § 111 S. 3 BetrVG betroffen ist (BAG v. 18.3.2008, AP Nr. 66 zu § 111 BetrVG 1927; BAG v. 17.8.1982, NJW 1983, 1870 = DB 1983, 344 = BB 1983, 501 = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 14; BAG v. 16.6.1987 – 1 ABR 41/85, NZA 1987, 671 = DB 1987, 1842 = BB 1987, 1737). Ob es – wofür der Wortlaut spricht – neben den Katalogtatbeständen noch andere beteiligungspflichtige Betriebsänderungen gibt (bei denen die Prüfung, ob sie wesentliche Nachteile haben können, erforderlich wäre), ist noch nicht entschieden. Durch die Einführung des § 112a BetrVG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch erhebliche Entlassungen ohne Änderungen von Betriebsstrukturen als "Einschränkungen" i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG gelten (BAG v. 8.6.1999 – 1 AZR 696/98; früher schon BAG v. 30.6.1981 – 1 ABR 52/79; BAG v. 22.5.1979, NJW1980, 83 = DB 1979, 1896 = BB 1979, 1501). Andere Sachverhalte sind kaum denkbar.

bb) Personalabbau

 

Rz. 1269

Erschöpft sich die Änderung in einem bloßen Personalabbau unter vollständiger Beibehaltung der Strukturen und Betriebsmittel – es werden etwa alle Abteilungen um 20 % der jeweiligen Arbeitnehmer ausgedünnt – kann eine Betriebseinschränkung i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vorliegen. Allerdings ist in der Einführung von Kurzarbeit oder der vorübergehenden Freistellung bei Brandschäden noch keine Betriebsänderung zu sehen, sodass die Sozialplanpflicht erst bei endgültiger Beendigung der Arbeitsverhältnisse, also bei Durchführung der Massenentlassung, entsteht (BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80, NJW1984, 381 = DB 1983, 2635 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 29; BAG v. 16.6.1987, NZA 1987, 858 = DB 1987, 2365 = BB 1987, 2231).

 

Rz. 1270

Als Richtschnur, wann erhebliche Teile der Belegschaft von der Maßnahme betroffen sind und deshalb die Entlassungen unter Beibehaltung der sächlichen Betriebsmittel einen Personalabbau i.S.e. Betriebsänderung darstellen, hat die Rspr. die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG mit der Maßgabe herangezogen, dass von dem Personalabbau mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes betroffen sein müssen, und zwar ohne Beschränkung auf den 30-Tage-Zeitraum (BAG v. 22.5.1979 – 1 ABR 17/77, NJW 1980, 83 = DB 1979, 1896 = BB 1979, 1501; BAG v. 15.10.1979, DB 1980, 550 = BB 1980, 524; BAG v. 8.6.1999 – 1 AZR 696/98; BAG v. 28.3.2006, NZA 2006, 932). Bei dieser Prüfung sind – anders als bei der Anzeigepflicht bei Massenentlassungen – nur solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die aus betriebsbedingten Gründen aufgrund Arbeitgeberkündigung oder Aufhebungsvertrag oder aufgrund vom Arbeitgeber veranlasster Eigenkündigung ausscheiden (§ 112a Abs. 1 S. 2 BetrVG). Diejenigen Arbeitnehmer, die aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen entlassen werden oder deren Arbeitsverhältnis infolge Fristablauf endet, bleiben außer Betracht.

 

Rz. 1271

Entscheidend für das Erreichen der Größenordnung ist, dass der Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht. Diese kann auch eine stufenweise Durchführung vorsehen. Dabei kann ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren Entlassungswellen ein wesentliches Indiz für eine einheitliche Planung sein. Andererseits kann die nachfolgende Entlassungswelle das Ergebnis einer neuen Planung sein, insb., wenn nach der ersten Entlassungswelle neue, vom Arbeitgeber ursprünglich nicht vorgesehene und eingeplante Umstände eingetreten sind. Plant der Arbeitgeber zunächst eine geringere, die Schwellenwerte nicht erreichende Zahl von Entlassungen, ändert er seine Planung aber vor der Durchführung dahin gehend, dass weitere Entlassungen nötig sind, werden die Zahlen der geplanten Entlassungen zusammengerechnet, wobei ein naher zeitlicher Zusammenhang mehrerer "Kündigungswellen" ein wesentliches Indiz für eine einheitliche...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge