Rz. 1269

Erschöpft sich die Änderung in einem bloßen Personalabbau unter vollständiger Beibehaltung der Strukturen und Betriebsmittel – es werden etwa alle Abteilungen um 20 % der jeweiligen Arbeitnehmer ausgedünnt – kann eine Betriebseinschränkung i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vorliegen. Allerdings ist in der Einführung von Kurzarbeit oder der vorübergehenden Freistellung bei Brandschäden noch keine Betriebsänderung zu sehen, sodass die Sozialplanpflicht erst bei endgültiger Beendigung der Arbeitsverhältnisse, also bei Durchführung der Massenentlassung, entsteht (BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80, NJW1984, 381 = DB 1983, 2635 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 29; BAG v. 16.6.1987, NZA 1987, 858 = DB 1987, 2365 = BB 1987, 2231).

 

Rz. 1270

Als Richtschnur, wann erhebliche Teile der Belegschaft von der Maßnahme betroffen sind und deshalb die Entlassungen unter Beibehaltung der sächlichen Betriebsmittel einen Personalabbau i.S.e. Betriebsänderung darstellen, hat die Rspr. die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG mit der Maßgabe herangezogen, dass von dem Personalabbau mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes betroffen sein müssen, und zwar ohne Beschränkung auf den 30-Tage-Zeitraum (BAG v. 22.5.1979 – 1 ABR 17/77, NJW 1980, 83 = DB 1979, 1896 = BB 1979, 1501; BAG v. 15.10.1979, DB 1980, 550 = BB 1980, 524; BAG v. 8.6.1999 – 1 AZR 696/98; BAG v. 28.3.2006, NZA 2006, 932). Bei dieser Prüfung sind – anders als bei der Anzeigepflicht bei Massenentlassungen – nur solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die aus betriebsbedingten Gründen aufgrund Arbeitgeberkündigung oder Aufhebungsvertrag oder aufgrund vom Arbeitgeber veranlasster Eigenkündigung ausscheiden (§ 112a Abs. 1 S. 2 BetrVG). Diejenigen Arbeitnehmer, die aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen entlassen werden oder deren Arbeitsverhältnis infolge Fristablauf endet, bleiben außer Betracht.

 

Rz. 1271

Entscheidend für das Erreichen der Größenordnung ist, dass der Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht. Diese kann auch eine stufenweise Durchführung vorsehen. Dabei kann ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren Entlassungswellen ein wesentliches Indiz für eine einheitliche Planung sein. Andererseits kann die nachfolgende Entlassungswelle das Ergebnis einer neuen Planung sein, insb., wenn nach der ersten Entlassungswelle neue, vom Arbeitgeber ursprünglich nicht vorgesehene und eingeplante Umstände eingetreten sind. Plant der Arbeitgeber zunächst eine geringere, die Schwellenwerte nicht erreichende Zahl von Entlassungen, ändert er seine Planung aber vor der Durchführung dahin gehend, dass weitere Entlassungen nötig sind, werden die Zahlen der geplanten Entlassungen zusammengerechnet, wobei ein naher zeitlicher Zusammenhang mehrerer "Kündigungswellen" ein wesentliches Indiz für eine einheitliche Planung sein kann (BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15; BAG v. 28.3.2006 – 1 ABR 5/05, NZA 2006, 932 = DB 2006, 1792 = EzA § 111 BetrVG 2001 Nr. 4). Kommt es im Laufe des Beteiligungsverfahrens zu einer Verringerung der Zahl der geplanten Entlassungen, bleiben Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht bestehen.

 

Rz. 1272

Normalerweise führt das Vorhandensein einer Betriebsänderung zur Verpflichtung des Arbeitgebers, neben dem Interessenausgleich auch einen Sozialplan zu versuchen und – im Fall des Sozialplans – abzuschließen. Bei bloßem Personalabbau gilt die Einschränkung des § 112a Abs. 1 BetrVG, der im Fall des reinen Personalabbaus eine andere Größenstaffel, ab der ein Sozialplan erzwingbar ist, vorsieht.

 

Rz. 1273

Bei reinem Personalabbau nimmt das BAG in Anlehnung an § 112a Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine Betriebsänderung erst an, wenn mindestens sechs Arbeitnehmer des Gesamtbetriebs betroffen sind (BAG v. 9.11.2010 – 1 AZR 708/09, NZA 2011, 466).

Übersicht: Mitbestimmungspflichtige und sozialplanpflichtige Betriebsänderungen in Form von Personalreduzierungen

 
Größe nach Arbeitnehmerzahl Interessenausgleichspflichtiger Personalabbau bei Ausscheiden von Sozialplanpflichtiger Personalabbau bei Ausscheiden von
21–59 sechs Arbeitnehmer 20 % der jeweiligen Zahl, aber mindestens sechs Arbeitnehmer
60–249 10 % der jeweiligen Zahl oder mindestens 26 Arbeitnehmer 20 % der jeweiligen Zahl oder mindestens 37 Arbeitnehmer
250–449 10 % der jeweiligen Zahl oder mindestens 26 Arbeitnehmer 15 % der jeweiligen Zahl mindestens 60 Arbeitnehmer
500 und mehr 5 % der jeweiligen Zahl oder mindestens 30 Arbeitnehmer 10 % der jeweiligen Zahl oder mindestens 60 Arbeitnehmer
 

Rz. 1274

Bei der Ermittlung der relevanten Grenzzahlen werden auch die Arbeitnehmer mitgerechnet (Berscheid, KGS, "Massenentlassung" Rn 318; Uhlenbruck/Berscheid, §§ 121, 122 InsO Rn 25), die

aus betriebsbedingten Gründen entlassen werden,
über Aufhebungsverträge ausscheiden und der Anlass der Auflösung der Arbeitsverhältnisse die Betriebsänderung war,
Eigenkündigungen aussprechen, die vom Arbeitgeber aus Anlass der Betriebsänderung veranlasst wurden.
 

Rz. 1275

Dagegen sind bei de...

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