Rz. 1570

Die Einigungsstelle ist bei Bedarf gem. § 76 Abs. 1 BetrVG zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu bilden. Hieraus ergibt sich, dass die Einigungsstelle keine Dauereinrichtung ist, sondern ad hoc zur Klärung eines bestimmten Mitbestimmungstatbestandes gebildet werden. Nach § 76 Abs. 1 S. 2 BetrVG kann durch Betriebsvereinbarung auch eine ständige Einigungsstelle gebildet werden kann; diese ist jedoch nicht erzwingbar (BAG v. 26.8.2008 – 1 ABR 16/07, juris). Die Zuständigkeit einer ständigen Einigungsstelle kann auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt werden (DKK/Berg, BetrVG, § 76 Rn 7). In der Praxis sind ständige Einigungsstellen schon deswegen selten, weil die Vorsitzenden sehr häufig aus dem Kreis der Arbeitsrichter bestellt werden; nach der in den meisten Bundesländern geübten Regelungspraxis kann ein Richter nur beschränkt mehrere Einigungsstellen nebeneinander leiten. Die Bestellung als Vorsitzender einer ständigen Einigungsstelle würde diesen Richter i.d.R. für weitere Verfahren blockieren.

 

Rz. 1571

 

Hinweis

Immer wieder einigen sich die Betriebspartner zur Regelung bestimmter auftauchender eiliger Fragen – z.B. bei Streit über die Notwendigkeit von Schichtwechseln in einer Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitfragen oder bei Überstunden – schon vorsorglich auf bestimmte Vorsitzende und auf die Beisitzer. Es wird festgelegt, dass bei den benannten Vorsitzenden von Fall zu Fall angefragt wird, ob sie den Vorsitz übernehmen können. Falls dies nicht der Fall ist – oder falls der Benannte nicht erreichbar ist –, wird bei der als erste Ersatzvorsitzende benannten Person nachgefragt usw. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, die Einigungsstelle – vergleichbar einer ständigen Einigungsstelle – recht kurzfristig zusammenzurufen. Darüber hinaus wird versucht, in Eilsachen eine vorläufige Regelung zu ermöglichen. Ob bei einer solchen freiwilligen Verfahrensgestaltung die Regelung nach Telefon- oder Videokonferenz getroffen werden kann, erscheint als problematisch, weil das Gesetz von Beschlussfassung "nach mündlicher Beratung" spricht. Die während der Corona-Pandemie festgelegten gesetzlichen Regelungen zur Zulässigkeit von Video- und Telefonkonferenzen und zur Möglichkeit der Zuschaltung per Telefon oder Video laufen – nach mehrmaliger Verlängerung – mit Ablauf des 7.4.2023 aus, sind – im Gegensatz zur Möglichkeit bei Betriebsratssitzungen – nicht ins BetrVG übernommen worden. Zumindest wird eine vorläufige Regelung nach einer solchen Einigung der Betriebsparteien durch eine freiwillige Einigungsstelle auch nach Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein.

 

Rz. 1572

 

Beispiel

Zitat

"Für den Fall, dass sich die Parteien dieser Betriebsvereinbarung über die Auslegung oder Anwendung dieser Betriebsvereinbarung nicht einigen können, oder für den Fall des Auftretens sonstiger Regelungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit dieser Betriebsvereinbarung vereinbaren die Betriebsparteien hiermit, dass eine Einigungsstelle zur Schnellschlichtung eingesetzt wird. Diese besteht aus dem Vorsitzenden und jeweils einem Beisitzer von Arbeitgeber- und Betriebsratsseite. Als Vorsitzender wird RiArbG … bestellt, ersatzweise RiArbG …, weiter ersatzweise RiArbG … und weiter ersatzweise RiArbG … in dieser Reihenfolge. Der jeweilige Ersatzfall tritt bei Nichterreichbarkeit des Vorsitzenden innerhalb eines Arbeitstages oder im Fall von dessen Verhinderung ein. Die Beisitzer werden unverzüglich festgelegt und der Gegenseite bis … mitgeteilt. Betriebsrat und Arbeitgeber können jederzeit andere Beisitzer benennen. Die Einigungsstelle soll die Entscheidung unverzüglich treffen. Die Einigungsstelle kann in Eilfällen eine vorläufige Regelung auch in einer Telefonkonferenz treffen. Die Maßnahme kann dann einstweilen durchgeführt werden. Auf Wunsch einer der Betriebsparteien findet in diesem Fall so bald wie möglich eine Sitzung der Einigungsstelle in Präsenz statt. Beide Parteien dieser Betriebsvereinbarung unterwerfen sich der Entscheidung durch die Einigungsstelle."

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