Rz. 563

Die Arbeitsbefreiung gem. § 37 Abs. 2 BetrVG ist an zwei Voraussetzungen geknüpft:

Es muss sich um die Durchführung von Betriebsratsaufgaben handeln und
die Arbeitsbefreiung muss zur Durchführung dieser Aufgaben erforderlich sein.
 

Rz. 564

Zu den Aufgaben der Betriebsratsmitglieder gehört:

Teilnahme an allen Sitzungen des Betriebsrates, an Betriebsversammlungen, Teilversammlungen, Abteilungsversammlungen sowie deren Vorbereitung;
Besprechung mit Gewerkschaftsvertretern, Behörden (Berufsgenossenschaft, Gewerbeaufsichtsamt) und der Arbeitsagentur bei drohenden Massenentlassungen (BAG v. 23.9.1982 – 6 ABR 86/79);
Vorbereitung von Besprechungen und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sowie deren Nachbereitung;
Besprechungen mit anderen Betriebsratsmitgliedern des Betriebes;
Erledigung von schriftlichen Arbeiten einschließlich der Erstellung von Niederschriften und Gesprächsnotizen;
Wahrnehmung der Sprechstunde des Betriebsrates;
Betriebsbegehung, Aufsuchen von Kollegen am Arbeitsplatz, Entgegennahme von Beschwerden von Arbeitnehmern sowie deren Unterstützung (zum Aufsuchen am Arbeitsplatz vgl. BAG v. 13.6.1989 – 1 ABR 4/88, juris).
 

Rz. 565

Die Erforderlichkeit einer Betriebsratstätigkeit ist nicht nach allgemeinen Erfahrens- oder Richtwerten zu bemessen, sondern es ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich (BAG v. 21.11.1978 – 6 AZR 247/76, juris). Die ordnungsgemäße Abmeldung des Betriebsratsmitgliedes allein bedeutet noch nicht, dass die von ihm geleistete Betriebsratstätigkeit erforderlich war. Das Betriebsratsmitglied muss im Streitfall – wenn der Arbeitgeber wegen solcher Zeiten das Entgelt gekürzt hat oder wenn er dem Betriebsratsmitglied eine "betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung" ausgesprochen hat – vor dem ArbG begründen, warum es sich um gesetzliche Betriebsratsaufgaben gehandelt hat, deren Wahrnehmung es vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus gesehen für erforderlich halten durfte. Hier muss das Betriebsratsmitglied, soweit die Erforderlichkeit wegen der insgesamt niedrigen Abwesenheitszeiten nicht unterstellt werden kann, so viele – ggf. pauschale – Angaben über die Tätigkeit machen, dass das Arbeitsgericht zu einer Plausibilitätsprüfung in der Lage ist.

 

Rz. 566

Die Frage der Erforderlichkeit ist nicht allein nach subjektivem Ermessen zu beantworten, sondern es müssen unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabes die Interessen des Betriebes einerseits und des Betriebsrates und der Belegschaft andererseits gegeneinander abgewogen werden (BAG v. 21.6.2006 – 7 AZR 418/05, juris). Die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des Betriebsratsmitgliedes ist nicht auf eine reine Missbrauchskontrolle beschränkt, sondern erstreckt sich darauf, ob ein vernünftiger Dritter zu den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Durchführung der Aufgabe herrschenden Umständen ebenfalls eine solche Entscheidung getroffen hätte. Dabei steht dem Betriebsratsmitglied ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu; es hat allerdings nicht nur die Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft, sondern auch diejenigen des Arbeitgebers zu beachten. Fasst der Betriebsrat als Gremium den Beschluss, dass das Betriebsratsmitglied eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen soll, entbindet dies das Betriebsratsmitglied nicht von einer selbstständigen Überprüfung der Rechtslage hinsichtlich des Bestehens einer Betriebsratsaufgabe und deren Erforderlichkeit. Auch ein Irrtum des Betriebsratsmitglieds darüber, ob eine von ihm wahrgenommene Tätigkeit zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört, kann grundsätzlich einen Vergütungsanspruch nach § 37 Abs. 2 BetrVG, § 611 BGB nicht begründen (BAG v. 21.6.2006 – 7 AZR 418/05, juris, für den Anspruch auf Vergütungsfortzahlung beim Besuch einer Zusammenkunft mit anderen Betriebsräten des Unternehmens).

 

Rz. 567

 

Hinweis

Nach einem Urteil des BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 229/96, juris, sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit nur insoweit befreit, als dies zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Gegenstand dieser vom Betriebsratsmitglied unter Wahrnehmung seines Beurteilungsspielraums vorzunehmenden Erforderlichkeitsprüfung sei demnach nicht nur die Notwendigkeit der Betriebsratsarbeit, sondern gerade auch, ob diese Betriebsratsarbeit die Nichtleistung der beruflichen Tätigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich macht. Grds. sind also die Dringlichkeit der beruflichen Tätigkeit und der Verrichtung von Betriebsratsarbeit gegeneinander abzuwägen. Betriebsbedingte Gründe können daher eine zeitliche Verzögerung der Betriebsratsarbeit bedingen.

 

Rz. 568

Selbst bei einer Betriebsratssitzung kann (so BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 229/96, juris) in Fällen eines dringenden betrieblichen Bedürfnisses an der Arbeitsleistung die Abwägung nötig sein, ob die Teilnahme an der Betriebsratssitzung so wichtig ist, dass sie auch die Nichtleistung der dringenden beruflichen Tätigkeit i.S.d. § 37 Abs. 2 BetrVG erforderl...

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