Rz. 9

Die bislang bekannt gewordenen Entscheidungen der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte über Klagen gegen Umweltzonen gingen bislang alle zu Lasten der Klagepartei aus.[7] Auch die – soweit ersichtlich – erste obergerichtliche Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Umweltzone – des OVG Münster zur Umweltzone Köln[8] – war für die Klagepartei nicht erfolgreich. Bei der letztgenannten Entscheidung war schon problematisch, dass die Fahrzeuge des Klägers grüne Plaketten erhalten hatten und in die Umweltzone einfahren dürfen. Damit war bereits fraglich, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Anordnung der Umweltzone bestand.[9] Mit den Entscheidungen des OVG Lüneburg vom 12.5.2011[10] liegen nunmehr Berufungsurteile vor, die beide die Umweltzone Hannover betreffen. Auch hier wurden die Berufungen der Kläger zurückgewiesen, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der Verkehrsbeschränkungen durch Anordnung einer Umweltzone gerichtet haben.

 

Rz. 10

Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Umweltzone ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem rechtliche und technische Frage ineinandergreifen. Die bislang hierzu vorliegenden Entscheidungen sind auch entsprechend umfangreich und anspruchsvoll. Hierbei kommt es entscheidend auf die örtlichen Verhältnisse an. Hinzu kommt, dass planerische Entscheidungen, die auf einer Prognose zukünftiger Tatsachen beruhen, einer gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob bei der Überprüfung auf den Zeitpunkt der Anordnung der verkehrsbeschränkenden Maßnahmen (dann müsste eine Aufhebung der Beschränkungen geltend gemacht werden) oder auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts[11] abzustellen ist, mithin wie spätere Erkenntnisse gegen die fortdauernden verkehrsbeschränkenden Maßnahmen einzuwenden sind.[12] Da der Luftreinhalteplan bei der Reaktion auf Grenzwertüberschreitungen auch im Wesentlichen prognostische Element enthält, liegt darin ein der Verwaltung eingeräumter Spielraum vor, in den die Rechtskontrolle nicht eingreifen darf.[13] Juristisch fassbare Kernfrage ist auch hier, ob die Anordnung einer Umweltzone dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Es muss immer die Kontrollfrage gestellt werden, ob der angestrebte Erfolg nicht mit geringer eingreifenden Mitteln als dem Verbot für den Kraftfahrzeugverkehr in einem bestimmten Bereich, wobei bestimmte Schadstoffgruppen hiervon ausgenommen sind, erreicht werden kann. Geht es um die Überschreitung der Feinstaubwerte (PM 10) kann man kritisch hinterfragen, ob beispielsweise die Umweltzone ganzjährig angeordnet werden muss (wenn die Überschreitungen ausschließlich in der kälteren Jahreszeit gemessen werden) oder auch ob häufigere Straßenreinigung, verkehrslenkende/verkehrsregelnde Maßnahmen oder ein Durchfahrtsverbot für den Schwerlastverkehr zu einer signifikanten Verringerung der Belastung führen kann.[14] Da aufgrund europarechtlicher Vorgaben die Grenzwerte in der 22. BImSchV für verschiedene Schadstoffe strenger gefasst werden, tritt die "Feinstaubproblematik" in den Hintergrund. Betrachtet man andere Luftschadstoffe – etwa Stickoxid –, für die der Kraftfahrzeugverkehr in den Großstädten ein Hauptverursacher ist, können die Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung einer Umweltzone kaum mehr aufrechterhalten bleiben. Da der Einführung einer Umweltzone eine Prognoseentscheidung zugrunde liegt, kann nicht eingewandt werden, dass deren Erfolg zunächst nicht und danach nur in gering messbaren Punkten eingetreten ist. Denn die Verringerung der Luftschadstoffbelastung ist ein längerfristig angelegter Prozess, der sich über Jahre erstreckt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass eine verbreitete Einführung schadstoffärmerer Antriebe einen längeren Zeitraum beansprucht. Daher kann gegen eine Umweltzone nicht angeführt werden, dass mit neuen Antriebstechnologien ausgestattete Kraftfahrzeuge erheblich weniger Emissionen verursachen.[15]

 

Rz. 11

Exemplarisch hierzu etwa die Entscheidung des VG Hannover zur dortigen Umweltzone:[16] Die Umweltzone war nicht aufgrund einer Überschreitung der Feinstaubwerte (PM 10) geboten, da relevante Überschreitungen nicht (mehr) zu erwarten seien. Denn die Feinstaubbelastung konnte durch die Einführung der Umweltzone im Jahr 2008 nur um weniger als 1 % verringert werden. Vielmehr wird die Umweltzone damit begründet, dass die Grenzwerte für die Stickoxidbelastung deutlich überschritten würden. Für diesen Schadstoff sehe die 22. BImSchV ab dem Jahr 2006 ständig verringerte Toleranzmargen vor, der für das Jahr 2010 festgelegte Grenzwert könne ohne schadstoffvermindernde Maßnahmen nicht eingehalten werden. Da der Straßenverkehr die Stickoxidbelastung zu 60 % verursache, sei er auch der richtige Adressat für entsprechende Maßnahmen. Da die Schadstoffklassen auch den Stickoxidausstoß berücksichtigten, seien die entsprechend gestaffelten Fahrverbote auch verhältnismäßig.

 

Rz....

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