1. Haftbeschwerde gegen eine Haftfortdauerentscheidung wegen fehlenden Haftgrundes

a) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 205

Herr A hatte aus drei Personenkraftwagen Autoradios bzw. Navigationsgeräte entwendet. Kurz danach nahm ihn die Polizei vor seiner Wohnung mitsamt der Beute fest. Der Amtsrichter erließ Haftbefehl. Die daraufhin beantragte und durchgeführte Haftprüfung blieb ohne Erfolg. Rechtsanwalt R erwägt nun, dagegen Haftbeschwerde zu führen.

b) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 206

Gemäß §§ 304 Abs. 1, 117 Abs. 2 S. 2 StPO ist die – nicht fristgebundene – Haftbeschwerde[93] insbesondere gegen die Entscheidung möglich, die auf eine Haftprüfung oder einen Antrag auf Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung des Haftbefehls im schriftlichen Verfahren hin erfolgt ist. Maßgeblich ist immer die zuletzt ergangene Entscheidung, mit der über den (Fort-)Bestand eines Haftbefehls entschieden wurde und die damit die Grundlage bildet, den Beschuldigten in Haft zu nehmen bzw. zu halten.

 

Rz. 207

Beschwerdeberechtigt sind der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und sein Verteidiger. Ziel der Beschwerde können die Aufhebung des Haftbefehls, seine Außervollzugsetzung, aber auch die Ausscheidung einzelner Haftgründe oder Tatvorwürfe sein. In der Regel ergeht die Entscheidung nach Aktenlage, sie kann aber auch aufgrund einer mündlichen Haftprüfung getroffen werden. Gemäß § 117 Abs. 2 StPO ist die Beschwerde neben dem Antrag auf Haftprüfung unzulässig. Das Recht der Beschwerde gegen die Entscheidung, die auf den Antrag hin ergeht, wird dadurch nicht berührt. Auf die Reihenfolge der Stellung der Anträge kommt es nicht an. Um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, sollte der Verteidiger darauf achten, dass sein Mandant die Zulässigkeit der Haftbeschwerde nicht durch einen weiteren, eigenen Haftprüfungsantrag beseitigt. Die Haftbeschwerde lebt nach erfolgter Haftprüfung oder durch Rücknahme des Haftprüfungsantrages nicht wieder auf. Sie ist in jedem Fall neu zu stellen.

 

Rz. 208

Hilft das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen ist, der Beschwerde nicht ab, ist die Beschwerde gem. § 306 Abs. 2 Hs. 2 StPO dem Beschwerdegericht innerhalb von drei Tagen vorzulegen.[94] Das Beschwerdegericht hat eine eigene Sachentscheidungsbefugnis. Es kann daher auch einen anderen Haftgrund annehmen oder eine Verletzung der Formvorschrift des § 114 StPO heilen. Ob im Haftbeschwerdeverfahren das Schlechterstellungsverbot gilt, ist umstritten.[95]

Eine Beschwerdebegründung ist zwar grundsätzlich nicht vorgeschrieben, aber zu empfehlen, um dem Beschwerdegericht aufzuzeigen, wo tatsächliche Lücken zu schließen oder Rechtsfehler zu beseitigen sind.

[93] Ausführlich zur Haftbeschwerde: Breyer/Endler-Seebode, AnwaltFormulare Strafrecht, Kap. 3 Rn 166 ff.
[94] Ist inzwischen Anklage erhoben worden, wird eine dem Beschwerdegericht vorliegende Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag gem. § 117 Abs. 1 StPO umgedeutet und an das für die Eröffnung zuständige Gericht zurückgegeben. Damit sollen widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden, vgl. OLG Karlsruhe StV 1994, 664 f. Gegen die dann erfolgte Entscheidung ist die Beschwerde zum OLG zulässig.
[95] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 304 StPO Rn 5.

c) Muster: Haftbeschwerde

 

Rz. 209

Muster 41.27: Haftbeschwerde

 

Muster 41.27: Haftbeschwerde

An das Amtsgericht _____

Az. _____

In dem Ermittlungsverfahren gegen _____ wegen _____

lege ich gegen den Haftfortdauerbeschluss des Amtsgerichts _____ vom _____

Beschwerde ein und beantrage, ohne mündliche Verhandlung durch das Beschwerdegericht

1. den Haftbefehl aufzuheben,
2. hilfsweise: den Haftbefehl gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.

Sollte das Beschwerdegericht den Anträgen ohne mündliche Verhandlung nicht stattgeben wollen, wird die Durchführung einer mündlichen Haftprüfung auch vor dem Beschwerdegericht beantragt.

Begründung:

Der im Haftbefehl angeführte Haftgrund der Wiederholungsgefahr beruht nicht auf hinreichend bestimmten oder noch hinreichend bestimmbaren Tatsachen. Der Erlass des Haftbefehls war auch nicht erforderlich.

1. Zur Bestimmtheit

Gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO muss der Beschuldigte dringend verdächtig sein, wiederholt und fortgesetzt eine die Rechtsgemeinschaft schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach § 243 StGB begangen zu haben. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, _____. Eine Straftat gem. § 243 StGB kann aber nur bei überdurchschnittlichem Schweregrad als Anlasstat im Sinne des § 112a StPO eingestuft werden.

Die Bewertung richtet sich nach dem Unrechtsgehalt der Tat, wobei insbesondere auf Art und Ausmaß des angerichteten Schadens abzustellen ist. _____ (Darlegen des Sachverhalts sowie Ausführungen zum fehlenden Schweregrad der Anlasstat.) Eine schwerwiegende Straftat im Sinne des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO liegt somit nicht vor.

Gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO müssen ferner bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begangen werden bzw. die Straftat fortgesetzt wird. _____ (Darstellen der fehlenden Wiederholungsgefahr, etwa wegen fehlender Neigung, Einsicht, nachhaltiger Wirkung bereits des Ermittlungsverfahrens....

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