Rz. 83

Trotz der grundsätzlichen Möglichkeit findet eine Akteneinsicht durch den Beschuldigten selbst kaum statt. Eine sachgerechte Verteidigung bedingt aber, dass der Betroffene die Hintergründe der ihm zur Last gelegten Vorwürfe kennt. Aus diesem Grunde muss der Verteidiger seinem Mandanten den kompletten Akteninhalt bekannt geben.[37] Auch Kopien der vollständigen Akten dürfen dem Mandanten zur Vorbereitung der Verteidigung übergeben werden. Hat der Verteidiger Bedenken, dass der Mandant die ausgehändigten Aktenkopien nicht für sich behält, sollte er sich von ihm eine Erklärung unterzeichnen lassen, in der sich der Mandant verpflichtet, den Aktenauszug Dritten nicht zugänglich zu machen.

 

Rz. 84

Zu bedenken ist dabei aber auch, dass nicht jeder Mandant in der Lage ist, eine Akte durchzuarbeiten oder zu verstehen und deshalb die Anfertigung eines Mandantendoppels in einem solchen Fall keinen Sinn macht. In umfangreichen Betäubungsmittel-, Umwelt- oder Wirtschaftsstrafverfahren ist es indes unerlässlich, dem Mandanten sämtliche Akten in Kopie zur Verfügung zu stellen. Besondere technische Vorgänge, komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge oder bestimmte codierte Notizen über etwaige Drogentransfers kann häufig nur der Mandant selbst erkennen und erklären. Der Verteidiger ist hier auf die qualifizierte Mithilfe seines Mandanten angewiesen, weshalb die Übergabe der Aktenkopien an den Mandanten und eine enge Zusammenarbeit mit ihm unbedingt angezeigt ist. Anderes wird selbstverständlich in Fällen gelten, in denen sich aus der Aktenüberlassung direkte Nachteile für den Mandanten, etwa im Falle der Haft und dem dortigen Bekanntwerden des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern, ergeben würden oder aber durch die Überlassung der Akten inkriminiertem Verhalten weiter Vorschub geleistet werden würde.

 

Rz. 85

Eine Ausnahme der Informationspflicht gegenüber dem Mandanten besteht dann, wenn Akten mit einem ausdrücklichen Sperrvermerk versehen worden sind und unter dem Vorbehalt ausgehändigt werden, dass nur der Verteidiger dieser Dokumente ansichtig werden soll. Solche Vermerke sind in größeren Staatsschutzsachen häufig anzutreffen.

 

Rz. 86

Originalakten dürfen dem Mandanten nie ausgehändigt werden.[38] Das ergibt sich indirekt aus § 147 Abs. 1 StPO, wonach nur dem Verteidiger ein Akteneinsichtsrecht zugestanden wird.

[37] Grundlegend hierzu BGHSt 29, 99, 102: "Sachgerechte Strafverteidigung setzt voraus, dass der Beschuldigte weiß, worauf sich der gegen ihn erhobene Vorwurf stützt, und dass er den Verteidiger informieren kann, wie er sich dazu einlassen wird. Der Verteidiger wird deshalb in der Regel berechtigt und u.U. sogar verpflichtet sein, dem Beschuldigten zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren hat."
[38] Vgl. bereits OLG Frankfurt NJW 1965, 2312; Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 StPO Rn 20; Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, Rn 282.

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